Morgens, halb elf in München. Erwartungsfroh auf knorrigen Holzbänken Platz genommen, die Lederhosn sitzt, bald kommt a fesches Madl im Dirndl, bringt Weissbier, resche Brezn und einen Topf dampfender, frischer Weisswürste. Und es ist klar: Jetzt wird gezuzelt, gleich erklingt die Musi und die Buam spieln auf; in München steht ein Hofbräuhaus: oans, zwaa, g'suffa! Ein Klischee? Zweifelsohne! Nur darf man dabei aber etwas nicht übersehen: Auch wer heute nach München reist, wird dieses Bild dort antreffen, wenn er es denn gezielt sucht. Besonders in der Gegend um Marienplatz, Viktualienmarkt und Platzl, wo die Lederhosendichte so gross wie die Masskrüge ist, wird diese Suche schnell zur Gratwanderung zwischen gelebter Tradition und touristischer Folkloreshow. Denn jenseits aller Dirndl-Weisswurst-und-Wiesn-Nostalgie haben die Münchner ihre Traditionen stets mit viel Sorgfalt gepflegt, was nicht zuletzt für das kulinarische Erbe gilt. Brezn, Haxn, Obazda und natürlich die Weisswürste sind fast allgegenwärtig – eine ordentliche Dosis an lukullischem Münchner Brauchtum bietet nach wie vor das traditionelle «Weisswurstfrühstück», für welches das Hofbräuhaus durchaus eine gute Adresse ist: Nach alter Sitte werden Weisswürste am frühen Morgen hergestellt, aus magerem Kalb- und Schweinefleisch oder nur aus Kalbfleisch.
Erst nach der Bestellung lässt man die Würste in der Küche im heissen Wasser ziehen, sodass sie auch wirklich frisch auf den Tisch kommen. Denn: Weil rohe Weisswürste rasch verderben, gilt die Regel, dass eine Weisswurst das Zwölf-Uhr-Läuten nicht erleben darf. So ists der Brauch und so soll es sein. Doch dessen ungeachtet weht auch durch die Münchener Wirtshausküchen viel frischer Wind – es riecht und schmeckt förmlich nach Aufbruch, und es schmeckt gut! Da muss man nur kurz die heiligen Hallen des Hofbräuhauses verlassen und auf der anderen Strassenseite im Ayingers einkehren. Gewiss spricht nichts dagegen, den Klassiker des Hauses, die altbayerische Pfefferhaxe nach überliefertem Rezept zu bezwingen – ein mächtiger, kross gebackener Traum – doch spätestens beim Dessert sollte man sich ein Bier gönnen, und zwar in Form einer Glace aus Bier, Laugenbrezen, Hefe und Apfel, um zu merken, was man sich unter neuer bayerischer Küche vorstellen kann. Nur ein paar Meter weiter zeigt Christian Sobota in der «Pfistermühle», wie weit man es mit diesem Ansatz treiben kann. Er setzt dabei voll auf herausragende Zutaten von ausgewählten Produzenten aus der Region: «Auf eine gewisse Art schützen wir so ein wertvolles Stück Kulturgut, indem wir diesen Produkten endlich wieder die Bühne geben, die sie verdienen», sagt Sobota aus fester Überzeugung. Und so geht bayerisch Kochen, modern interpretiert: Geflügelleber wird als Raviolo knusprig ausgebacken und auf Romanasalat mit Schwarzkirsche und Bitterschokolade serviert – eine fabelhaft ausbalancierte Kreation. Nicht weniger raffiniert ist die Terrine aus Pfifferlingen und Kalbfleisch mit Heumilch-Butterkartoffeln, Schnittlauch-Quark-Sorbet und Chardonnay-Feigen. Als Hauptgang stehen dann das bayerische Freilandhuhn und der Mais, den es zeitlebens gefressen hat, im Mittelpunkt: In Heu geräuchert erhält das Fleisch ein herrlich kräftiges Aroma und wird mit Maismühlencreme, geschwärztem Babymais sowie Rote-Bete-Popcorn gereicht. Ein köstlich-rauchiges Vergnügen!
Rinderherz vom Grill bei Paulaner-Chefkoch Florian Lechner.
Dieser spürbare kulinarische Elan macht auch vor den urmünchener Institutionen, dem Biergarten, dem Brauund Wirtshaus nicht halt. «Die Wirtshausküche ist gerade stark im Wandel», bestätigt Florian Lechner, der neu die Küche der Paulaner-Gaststätte am Nockherberg unter sich hat. Lechner, mit Stationen im legendären «Tantris» und unter Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann in der «Aubergine» mit allen Wassern der Sternegastronomie gewaschen, steht für eine neue bayerische Wirtshausküche, die auch vor Experimenten nicht zurückschreckt. Neben Latschenkiefer-Risotto steht immer mal wieder Stierhodencarpaccio auf der Karte. «Da reden die Leute drüber, das bleibt den Gästen in Erinnerung!», sagt Lechner. Die Zeiten, wo es einfach Braten, Würstl, Hendl und Knödel in gewaltigen Portionen gab, seien vorbei. Das bedeutet natürlich nicht, dass man die Traditionen einfach abschüttelt. Im Gegenteil! Besonders Innereien, die in Bayerns Küchen ohnehin schon immer eine profunde Rolle gespielt haben, sind wieder stark im Kommen. Berührungsängste oder gar Ekel sind da völlig fehl am Platz. Bei unserem Besuch schmeisst Florian Lechner für uns ein Rinderherz auf den höllisch heissen Indoor-Holzkohlegrill (übrigens der grösste seiner Art in München), grilliert es aussen knusprig und innen rosa.
Craftbier frisch gezapft: Andrea Waldecker, Chefin des «Meisterstücks», am hauseigenen Tap Tower.
Zusammen mit buttrigem Kartoffelpüree und frisch frittierten Chips ist das gute Stück von einem perfekt gebratenen Entrecôte kaum noch zu unterscheiden. Nicht zuletzt wegen des Trends, möglichst alle Fleischstücke vom Tier zu verwenden, erfreuen sich Innereien auch bei einem jüngeren Publikum wieder wachsender Beliebtheit. Aber Vorsicht! Wer einem Münchner voller Begeisterung vom ach so angesagten Nose-to-Tail-Hype vorschwärmt, wird sehr wahrscheinlich Belustigung oder ein lakonisches «So ein Schmarrn, bei uns war das schon immer so!» ernten. In der Tat hat sich München seine «Kronfleischküche» bis heute bewahrt – Kronfleisch, das ist das Zwerchfell vom Rind, Kalb oder Schwein, umfasst aber auch Innereien aller Art. In ihrer reinsten Form, also richtig altüberliefert und ohne moderne Verspieltheit, gibt es die Münchner Kronfleischküche nur noch im «Schneider Bräuhaus». Wer in der rustikalen Wirtshausstube Platz genommen hat und sich jedoch nicht entscheiden kann, ob er sich Milzwurstecken, Kalbskopf, gepökelte Zunge oder doch lieber den Hirnschmarrn bestellen soll, ordert am besten das fünfgängige Expeditionsmenü, das jeden Tag etwas anders aussehen kann, je nachdem, was halt gerade verfügbar ist. In unserem Falle ist das eine Brezn-Milz-Suppe, gefolgt von saurer Lunge mit einer dennoch delikat süsslichen Essignote; dann Kalbskrohn, perfekt geschmort mit viel frisch geriebenem Meerrettich; im Anschluss saure Schweineleber. Die Nachspeise ist dahingegen richtig gewagt und in dieser Eigenschaft gnadenlos modern: Oder wo sonst kann man ein Innereiendessert geniessen? Kalbsbries, paniert, in Fett ausgebacken und in einem Spiegel von süss-säuerlichen Beeren angerichtet – das harmoniert schlicht perfekt. Immer noch nicht überzeugt? Man kann das Bräuhaus natürlich auch rein des Bieres wegen besuchen. Besonders die Liebhaber von Weissund Starkbieren liegen hier goldrichtig, denn Kreationen wie das blumig-herbe Hopfenweissbier oder der Aventinus, ein mächtiger, wärmender Weizendoppelbock mit 8,2 Umdrehungen, zeigen, dass man bei Schneider genau das vermieden hat, was viele Münchener Grossbrauereien viel zu lange getan haben, nämlich sich lieber auf den eigenen Lorbeeren auszuruhen anstatt seine Bierkultur zu pflegen.
Bei Paulaner am Nockherberg wird gleich in der Gaststätte gebraut.
Bei aller Präsenz der bekannten Brauereiriesen im Stadtbild geht gerne vergessen, dass München eine enorm lebendige und kreative Craftbierszene besitzt. Um sich davon ein Bild zu machen, fährt man am besten hinaus in den Stadtteil Haidhausen, wo im «Meisterstück» handgebrautes Bier aus kleinen Brauereien im Mittelpunkt steht. Was es mit diesem Namen auf sich hat, erklärt die Chefin Andrea Waldecker gleich selbst: «Im Mittelpunkt stehen unsere Meister und ihre besonderen handwerklich hergestellten Produkte. Das sind Braumeister der Craftbierszene, Metzgermeister mit aussergewöhnlichen Würsten sowie Bäckermeister und ihre ausgefallenen Brote.» Über hundert verschiedene Biere gibt es in Flaschen, acht Gebräue werden im Lokal frisch gezapft, allerdings vertikal, denn horizontal kann ja jeder, weshalb der Barmann mehrmals am Abend die Leiter erklimmt, um die Raritätenbiere ganz oben am «Tap Tower» zu zapfen. Die offene Küche bietet dazu einen Blick auf den Grill mit Buchenholzfeuer und den Smoker, in dem Spareribs, Pastrami und Pulled Pork schon mal bis zu sechzehn Stunden garen. So einen Smoker gibt es auch im «Little Wolf», wo man sich bei authentischem Südstaaten-Soulfood wie in einem waschechten american Diner fühlt. Ganz gleich ob Ribs, Brisket oder Pastrami, das schmeckt alles derart zum Fingerablecken gut, dass man sich am besten eine Auswahl von allem zusammenstellen lässt. Gerade hier zeigt München sein anderes Gesicht, nämlich das einer weltoffenen, durch und durch internationalen Stadt. Nicht umsonst hat ein Weltkonzern wie BMW hier seinen Sitz. Gleich beim Olympiapark haben die «Bayerische Motoren Werke» auf ihrem Areal eine Touristenattraktion erster Güte eröffnet: Die BMW Welt ist Autohaus, Museum und Erlebniszentrum in einem und lockt mit jährlich drei Millionen Besuchern mehr als doppelt so viele Touristen an als das Schloss Neuschwanstein.
Auch wenn einem Autos herzlich egal sind, hat man trotzdem einen gewichtigen Grund, dem futuristischen Gebäude einen Besuch abzustatten. Denn die BMW Welt beherbergt mit dem «EssZimmer» ein Spitzenrestaurant erster Güte. Im dritten Stock, hoch über den glänzenden Karossen, hängt das EssZimmer über dem Geschehen und bietet einen einmaligen Blick. Wer aber nun erwartet, dass das minimalistische, kühle Design sich im Interieur fortsetzt, der wird «enttäuscht», denn der Gastraum versprüht mit seinem dunklen Holz, viel Leder, fluffigen Teppichen und einem prasselnden Kaminfeuer die vertraut wirkende Wohlfühlatmosphäre eines Wohnzimmers. «Der Gast soll sich bei uns wohl fühlen», sagt Martin «Bobby» Bräuer, der als Chefkoch den Ton im EssZimmer angibt. Genau diesem Credo folgt auch das Essen: «Wir kochen, was Spass macht», so Bräuer, der mit Etikettierungen eher wenig anfangen kann. Er sei immer auf der Suche nach den besten Produkten. Wenn diese aus der Region kommen, umso besser. Aber zwingend sei das nicht. Auch wenn andere seinen Stil als klassisch-französisch, vom Mittelmeer inspiriert und immer wieder mit Bezug auf die Region charakterisieren, wiegelt Bräuer schmunzelnd ab: «Am besten, man setzt sich einfach hin und isst. Alles andere kommt danach.» Gesagt, getan.
Spanferkel, Pulpo, Chorizo und Perlzwiebeln bei Bobby Bräuer im «EssZimmer».
Der Auftakt folgt gleich dem typisch mediterranen Prinzip, Meer und Land auf dem Teller zu vereinen; hier in Gestalt von Spanferkel und Pulpo. Eine Kombination, die hervorragend funktioniert: Auf der einen Seite das knusprige Schweinefleisch, auf der anderen der butterzart gegarte Kraken, dazu eine würzige Chorizocreme und knackige Perlzwiebeln, um das Geschmacksbild zu komplettieren. Darauf folgt ein Ziegenkäse-Aprikosen-Raviolo in einer maximal intensiven Pilzessenz – Bräuer setzt diese dreimal an, sowohl mit frischen als auch mit getrockneten Pilzen. Kongenial dazu die Weinbegleitung von Sommelier Frank Glüer, der dieses Gericht mit eine Savagnin aus dem Jura perfekt unterstützt. Und dann wird es doch noch etwas bayerisch. Zum Salzwiesenlamm im tomatisierten Sud mit Pak Choi gibt es tatsächlich Innereien: das Lammbries als Dim Sum sowie die gegarte Lammzunge obendrauf. Einfach köstlich! Ein Highlight der ganz und gar unkulinarischen Art wartet jedoch am Schluss: Wer im EssZimmer gespeist hat, wird – insofern im Münchener Stadtgebiet – gratis mit einer BMW-Limousine nach Hause gefahren. Da räkelt man sich nun satt und glücklich auf höchstbequemen Ledersitzen und sieht draussen die Stadt an sich vorbeiziehen; erblickt vielleicht ein paar Burschen in Lederhosen. Auch das ist München.
Diese Reise wurde unterstützt durch München Tourismus / Deutsche Zentrale für Tourismus.
Das Meisterstück
Weissenburgerstrasse 16, 81667 München
Tel. +49 89 48 996 777
www.dasmeisterstueck.de
Innovative Craftbiere aus Kleinbrauereien treffen auf kreative Wurstspezialitäten und Gerauchtes aus dem Smoker.
Little Wolf
Pestalozzistrasse 9, 80469 München
Tel. +49 89 85636152
www.little-wolf.de
Soulfood wie in den Südstaaten: Geniales Barbecue und riesige Bourbon-Auswahl.
Paulaner am Nockherberg
Hochstrasse 77, 81541 München
Tel. +49 89 4599130
www.paulaner-nockherberg.com
Da wird das Bier gleich im Hause gebraut. Dazu gibt es bayerische Wirtshausküche mit modernem Anstrich.
Schneider Bräuhaus
Tal 7, 80331 München
Tel. +49 89 2901380
www.schneider-brauhaus.de
Hier zelebriert man sie noch, die traditionelle Innereienküche. Darüber hinaus ist das Angebot an Weiss- und Starkbieren schlicht grossartig.
Wirtshaus Ayingers
Platzl 1A, 80331 München
Tel. +49 89 23703666
www.ayingers.de
Typisch bayerische Küche, aber gerne auch mal verspielt. Heisser Tipp: Bier-Glace zum Dessert!
Hofbräuhaus
Platzl 9, 80331 München
Tel. +49 89 290136100
www.hofbraeuhaus.de
Das wohl berühmteste Wirtshaus der Welt. Wer vor 11 Uhr zum «Weisswurstfrühstück» auftaucht, findet auch garantiert noch einen Platz.
EssZimmer
Am Olympiapark 1, 80809 München
Tel. +49 89 358991814
www.feinkost-kaefer.de/esszimmer-muenchen
Europäische Gourmetküche mit französischem Einschlag; serviert in der durchgestylten Wohlfühloase der BMW Welt.
Pfistermühle
Pfisterstrasse 4, 80331 München
Tel. +49 89 23703865
www.pfistermuehle.de
Bayerische Küche, sehr modern interpretiert; mit starkem Fokus auf regionalen Zutaten.
Viktualienmarkt
Der Bauch von München ist von Montag bis Samstag das absolute kulinarische Zentrum der Stadt.
Feinkost Käfer
Prinzregentenstrasse 73, 81675 München
Tel. +49 89 4168255
www.feinkost-kaefer.de
Die erste Adresse für anspruchsvolle Geniesser bietet eine enorme Palette an Delikatessen jeglicher Art.
Dallmayr Delikatessenhaus
Dienerstrasse 14-15, 80331 München
Tel. +49 89 21350
www.dallmayr.com/de/delikatessenhaus/Nicht nur wegen des legendären Kaffees, sondern auch wegen der fabelhaften Feinkostabteilung einen Besuch wert.
Schuhbecks Gewürze
Platzl 4A, 80331 München
Tel. +49 89 216690410
www.schuhbeck.de/geschaefte/gewuerzlaeden
Im Gewürzladen des bayerischen Starkochs Alfons Schuhbeck lockt ein Riesensortiment auf mehreren Etagen.
Platzl Hotel
Sparkassenstrasse 10, 80331 München
Tel. +49 89 237030
www.platzl.de
Elegantes, aber doch spürbar bayerisches Hotel an bester Lage, nur 5 Gehminuten vom Marienplatz entfernt.
BMW Welt
Am Olympiapark 1, 80809 München
www.bmw-welt.com
Das Erlebnis- und Auslieferungszentrum von BMW lockt im Jahr mehr Besucher an als Schloss Neuschwanstein.
Englischer Garten
Münchens grüne Lunge ist eine der grössten Parkanlagen der Welt, inklusive See, Biergärten und einer Surferwelle.
ÖV: 3-Tages-Ticket, mehr Infos unter www.mvv-muenchen.de sowie www.muenchen.travel