Gegensätze ziehen sich an, das gilt nicht nur für den südlichsten Teil der Schweiz im Allgemeinen, sondern besonders für Lugano, die grösste Stadt des Tessins. Auf Seehöhe stehen Palmen, oben am Berg thronen schneebedeckte Gipfel, uralte Kirchen grenzen an moderne Architektur, stille Täler, einsame Dörfer und städtischer Trubel sind nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Lugano ist nicht nur drittwichtigster Finanzplatz der Schweiz, Kongress-, Banken- und Businesszentrum, sondern auch eine Stadt der Parks und Blumen, der Villen, Museen und Kirchen. Man gibt sich bewusst mediterran, leger und weltoffen, denn trotz der etwas eingepferchten Lage an steilen Hängen zwischen See und Bergen begreift man sich als mitten im Herzen Europas gelegen – und in Mailand ist man schneller als in Zürich. Im Stadtkern dominieren südländische Piazze und Arkaden, an der Piazza Riforma laufen fast alle Strassen der Altstadt zusammen; hier schlägt der Puls des öffentlichen Lebens, dank Cafés, dem im neoklassischen Stil erbauten Rathaus aus dem 19. Jahrhundert und jeder Menge Events wie Konzerten und Theater. Schlendern entlang der Seepromenade, durch prächtige Parkanlagen mit jeder Menge Kunst, die beiden Luganeser Hausberge Monte San Salvatore und Monte Brè jederzeit im Blick – Lugano ist ein schwelgerisches Fest für die Sinne. Auch in kulinarischer Hinsicht. In den herrlich rustikalen Grotti zelebriert man die authentische, ehrliche Tessiner Küche, während diese gleichzeitig in den nicht wenigen Gourmetrestaurants auf innovative Art und Weise verfeinert und neu gedacht wird.
Enge Gassen und südländische Atmosphäre in der Altstadt.
In Lugano gibt es viel zu sehen und zu erleben – das «Problem» besteht eher darin, dass es so viele Auswahlmöglichkeiten gibt. Doch diese Höhepunkte sind uns besonders in Erinnerung geblieben:
1 DER BLICK VOM MONTE BRÉ
Mit der Standseilbahn in gemächlichem Tempo auf den 925 Meter hohen Hausberg – ein lohnendes Unterfangen, das mit einer gewaltigen Aussicht belohnt wird.
2 UNTERWEGS MIT DEM SCHIFF
Wer die traumhaft schön gelegenen Dörfer Gandria und Morcote besuchen will, sollte das unbedingt mit dem Kursschiff tun. Nicht das schnellste, aber sicher das schönste Verkehrsmittel der Region.
3 DER PARCO CIANI
Von der Seepromenade direkt in die idyllische «grüne Lunge» der Stadt: Ein Spaziergang mit grossartiger Perspektive.
Gotthard-Basistunnel sei Dank ist Lugano aus der Deutschschweiz sehr gut zu erreichen: Nicht einmal zwei Stunden dauert die Fahrt mit dem Zug ab Zürich. Für die Reise mit dem Auto sollte man etwas mehr Zeit einplanen, nämlich knapp drei Stunden (ab Zürich) – mögliche Staus am Gotthard nicht eingerechnet.
HOTEL GABBANI
Die perfekte Adresse für Genussreisende: Das Designhotel Gabbani liegt nicht nur in zentraler Lage an der Piazza Cioccaro mitten in der Altstadt (den Hauptbahnhof erreicht man mit der nur 50 m entfernten städtischen Standseilbahn), sondern ist auch noch Teil des Feinkostparadieses Gabbani. Mitten im Hotel und gleich vis-à-vis befinden sich die dazugehörenden Gourmetgeschäfte mit grandioser Auswahl an Delikatessen. Und das Beste: Als Hotelgast hat man sogar Rabatt auf (fast) alles!
www.gabbani.com/de/hotel
Egal, ob mit modernem Twist oder rustikal-regional – hier ist die authetische Tessiner Küche zu Hause
Gerade heute, wo in der Gastronomie Begriffe wie «Regionalität» und «Authentizität» im Trend liegen und viele Lokale mit aller Vehemenz betonen, «echte», «ehrliche», «lokale» Gerichte zu servieren, ist ein Blick ins Tessin äusserst aufschlussreich, denn in den Grotti wurde eigentlich schon immer so gekocht. Natürlich ist das Grotto einerseits ein lupenreines Tessiner Klischee, anderseits ist es tatsächlich ein authentischer Ausdruck von gelebter Tradition.
Randenrisotto mit Räucheraal im «Grotto della Salute»
Die einstigen Naturkühlschränke (im Grotto ist die Temperatur über das ganze Jahr hinweg konstant und kühl) liegen meist abgelegen und schattig, manchmal direkt aus dem Felsen gehauen, an Waldrändern oder Bächen. Heute sind es Orte der Begegnung, wo man an Granitbänken und -tischen einheimische Produkte und Gerichte wie Wurstwaren, Käse, Minestrone, Kutteln, Risotto, Polenta und Brasato geniesst. Auch in und um Lugano ist die Auswahl an Grotti beachtlich; ein besonders schönes Exemplar befindet sich im Hinterland des Luganer Stadtgürtels, in Manno: Im äussersten Nord-Westen des alten Dorfkerns, umgeben von Wiesen und Kastanienwäldern, liegt das «Grotto dell`Ortiga», bestehend aus ehemaligen Ställen und Heuschobern. Herrlich rustikal ist nicht nur das Interieur, sondern auch die Küche.
Involtini mit Pancetta und Salbei sowie Zincarlin-Birnen-Risotto im «Grotto dell` Ortiga»
Die Karte ist bewusst klein gehalten und wechselt täglich. Bei unserem Besuch gibt es einen wunderbar erfrischenden, knackigen Fenchelsalat mit Orangen und Oliven, dann die Hausspezialität «Ucelli scapati», Schweinsinvoltini mit Salbei und Pancetta, geschmort in einer höchst aromatischen Sauce – und natürlich Risotto: mustergültig al dente, schön fliessend und in der saisonalen Variante mit Birne und dem intensiv-würzigen Zincarlin-Frischkäse schlicht die perfekte Wahl. Szenenwechsel. Keine Regel ohne Ausnahme: Das «Grotto della Salute» liegt mitten in der Stadt, genauer in der Gemeinde Massagno, wenige Minuten vom Luganeser Hauptbahnhof entfernt. In einem stattlichen, von uralten Platanen gesäumten grossbürgerlichen Bau serviert man Grottoküche mit kreativem Einschlag und auf durchaus gehobenem Niveau. Als geniale Kreation erweist sich das Risotto von der Frühlingskarte: mit Rande, Räucheraal und Straciatella di Burrata; erdig-süsslich, rauchig-üppig und cremig-frisch – eine perfekt austarierte Kombination. Polpette, die typischen Fleischbällchen, serviert man mit süsssauer abgeschmecktem Radicchio, eingelegten Zwiebeln und Oliven, ein schönes Beispiel dafür, wie man Hausmannskost auf Hochglanz poliert, denn die leicht säuerlichen Begleiter machen das Gericht komplex, ohne dass der Fokus auf das Hauptprodukt verloren geht.
GROTTO DELL'ORTIGA
Man könnte es für ein Klischee halten: Etwas bergig und abgelegen in einem malerischen Dorf gelegen, ein idyllischer Hof und eine rustikal-gemütliche Gaststube. Und erst das Essen! Die kleine, aber feine Karte wechselt täglich, je nach Angebot.
www.ortiga.ch
GROTTO DELLA SALUTE
Zentraler geht es kaum: Dieses Grotto liegt mitten in einem Wohnquartier, nur wenige Minuten vom Zentrum entfernt. Die klassische Grottoküche wird hier gerne auch mal modern und elegant interpretiert.
www.grottodellasalute.ch
Die Anreise mit dem Schiff macht einen Ausflug nach Gandria noch viel schöner.
Kulinarischer Geheimtipp vor grandioser Kulisse
Gandria, das ehemalige Fischerdörfchen kurz vor der italienischen Grenze, ist von fast unwirklicher Schönheit – und überrascht mit einem äusserst kreativen Restaurant.
Man kann Gandria mit dem Auto oder zu Fuss via Uferweg erreichen. Doch erst eine Anreise über das Wasser offenbart die fast unwirkliche Anmut dieses Ortes. Als hätte man das Dorf einfach an die fast schwindelerregend steilen, bewaldeten Hänge des Monte Bré geklebt.
Zart geschmorte Rinderbäckchen mit Giffoni-Haselnüssen und knackiger Puntarelle im «Le Bucce di Gandria».
Gandria, diese melancholisch wirkende Schönheit in der Peripherie, das letzte Dorf vor der Grenze zu Italien. Die gegenüberliegenden Berggipfel sind bereits auf italienischem Boden, aber der Dorfkern an ihrem Fusse gehört noch zur Schweiz. Verwinkelte, enge Gassen, ein Geflecht von Treppchen, Balkonen und Passagen, das sich den Berg hinaufwindet. Erst als 1936 die Strasse gebaut wurde, konnte man Gandria mit dem Auto besuchen, vorher blieben nur der See oder der Weg über beschwerliche Pfade. Die Menschen waren mehr oder weniger Selbstversorger; neben Garten- und Weinbau und Viehzucht war der Fischfang die Hauptbeschäftigung. Ein Gedanke, der auch kulinarisch sehr ergiebig sein kann: Das dachten sich auch Melissa, eine Vulkanologin aus Lugano, Vieri, ein Computertechniker aus Florenz und Michele, ein Wirtschaftswissenschaftler aus Mailand, die sich entschieden haben, ihr Leben zu ändern und sich mit dem Restaurant «Le Bucce di Gandria» einen Traum zu erfüllen. Ein kleines Lokal, ganz zuoberst im Ort gelegen, das den beschwerlichen Aufstieg lohnt, nicht nur der grandiosen Aussicht wegen. «Cucina senza definizioni», eine Küche ohne Definition, so beschreibt Melissa die kulinarische Philosophie: Tradition trifft auf Kreativität und kontinuierliches Experimentieren: «Die Speisekarte geht von unseren familiären Wurzeln und Traditionen, von unseren Reisen und Erfahrungen aus und entwickelt sich zu etwas immer Neuem und Unerwartetem.» Und das Wichtigste: nie langweilig werden. Konkret bedeutet das saisonale Produkte aus der näheren Umgebung, von den Vorspeisen bis zu den Desserts, Brot und Nudeln wird alles selbst hergestellt. Es gibt lediglich ein Degustationsmenü, dessen Komponenten häufig wechseln. Den Anfang macht eine intensiv schmeckende Lauchbrühe mit Garnelen, Bärlauch und gerösteten Pistazien; als fulminanter Gemüsegang erweist sich der im Ofen gebackene Knollensellerie mit Rahmreduktion und Joghurtpulver. Und dann wird es gewagt: Ein Blumenkohlküchlein, dessen cremige, mild-nussige Aromen durch einen Hauch Kaffee perfekt ergänzt werden und sich erstaunlicherweise noch besser mit der Kombination von dunkler Schokolade (bittersüss) und Parmesan (umami) verbinden – so schmackhaft wie verblüffend! Wieder auf der eher traditionellen Seite sind dann die ebenfalls hervorragenden Cannelloni mit Borretsch und Ricotta, gratiniert mit würzigem Alpsbrinz. Eine unerwartete, wiederum hinreissende Konstellation bietet der Hauptgang: butterzart geschmorte Rinderbäckchen mit Giffoni-Haselnüssen, die für ein fulminantes Mundgefühl sorgen, dazu knackige Puntarellentriebe (auch bekannt als Spargelchicorée) «alla romana», die einen subtil frischen Kontrast zum Fleisch bilden.
LE BUCCE DI GANDRIA
Welch ein Geheimtipp! Die Küche basiert hauptsächlich auf saisonalen Produkten aus der nahen Umgebung und greift auf verschiedene Traditionen zurück, um sie mit einem Hauch von Kreativität umzugestalten. Und das alles zu einem unverschämt niedrigen Preis!
www.lebucce.com
Garnelen mit Burrata und Forellenkaviar im «I Due Sud».
Zwischen mediterran-modern und klassischer Hochküche
Produkte von herausragender Qualität, ausgefeilte Zubereitung und komplexe Geschmacksbilder – in Lugano finden Gourmets kulinarische Erlebnisse dieser Art, von zeitgemäss-südländischer Regionalküche bis hin zu Haute Cuisine alter Schule.
Wo findet man diese wirklich elaborierte, minutiös bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Spitzenküche? In Lugano ist diese rein von der Lokalität her sehr konventionell angesiedelt, nämlich oft in den klassischen Grandhotels. Das Splendide Royal, ein prächtiger Bau direkt am See, ist so ein Beispiel. Nur sind das Konzept und die Küche des dazugehörigen Fine-DiningRestaurants entgegen aller Klischees keineswegs angestaubt, sondern womöglich das Durchdachteste, was man in Lugano zurzeit auf diesem Level findet. Im «I Due Sud» ist der Name Programm: Chef Domenico Ruberto schlägt mit seinen Kreationen wortwörtlich eine Brücke zwischen den «beiden Süden», sprich seiner Heimat Kalabrien, dem Süden Italiens und seiner Wahlheimat Tessin, dem Süden der Schweiz. Die Philosophie des Restaurants ist, wie Domenico selbst sagt, auch die Philosophie seiner Familie geworden, die in Kalabrien ihr eigenes Olivenöl presst, wilde Fenchelsamen sammelt und diese einzeln schält und auch die bei den Gästen in Lugano sehr beliebten Cruschi-Paprikaschoten in der Luft trocknet. Hinzu kommen sorgfältig ausgewählte Zutaten aus dem Tessin, vom Gemüse der Magadinoebene bis hin zum Fisch aus dem Lago di Lugano – selbstverständlich nur von Erzeugern, die der Chef persönlich kennt.
Domenico Rubertos Vorzeigegericht: Linguine in Tomatenessenz und geräuchertem Ricotta.
Daraus entstehen Gerichte mit einer sehr persönlichen Handschrift, Kreationen, bei denen es darum geht, die Zutaten in ihrer Natürlichkeit zu belassen, aber ihnen ihre pure geschmackliche Essenz entlocken – mit teilweise beträchtlichem Aufwand. Etwa bei «Insalata del Giorno prima», Domenicos Signature Dish: Da werden die handgemachten Linguine (aus einer preisgekrönten Manufaktur in Gragnano, Kampanien) nicht in simplem Salzwasser, sondern einer Tomatenessenz gegart, was ihnen zusammen mit geräuchertem Ricotta und frisch gemörsertem Pfeffer eine enorme Geschmackstiefe verleiht. Solche Essenzen gewinnt Domenico durch Kryoextraktion: Dabei werden die Tomaten während mehrerer Stunden sous-vide gegart, und zwar bei einer exakt ermittelten Temperatur, bei der sie ein Maximum an Geschmack entfalten, ehe die Flüssigkeit ruht, fein gefiltert, runtergekühlt und kristallisiert, und schliesslich zentrifugiert werden.
Foie Gras mit Portweingelee und Rhabarber in der «Villa Principe Leopoldo».
Resultat ist eine Essenz mit enormer Aromenkonzentration. Dieses Verfahren kommt auch beim Zander zum Einsatz, der in einem bombastisch intensiven, vor umami geradezu berstenden Sud serviert wird: Aus dem Rohschinken von der Alpe Piora gewinnt der Chef eine Knochenbrühe, aus der dann eine Essenz gewonnen wird; diese würzt dann zusammen mit knusprigen Rohschinkenbröseln den Sud. Fisch ist sowieso die grosse Stärke dieser Küche. Beim Tatar vom Saibling mit Saiblingsconsommé mit Sprossen von Catalogna-Chicorée und Artischocke sorgen Süsse und Säure dank des dosierten Einsatzes von Bergamotte und Tropea-Zwiebel für eine hinreissende Balance. Oder die roh servierten lila Garnelen aus dem ionischen Meer, die in Kombination mit Burrata, Forellenkaviar, Lakritz für ein exzellentes Spiel der Texturen sorgen.
Verhältnissmässig konventionell kocht hingegen Cristian Moreschi in der «Villa Principe Leopoldo», doch den Vergleich muss er keineswegs scheuen. Nur schon die Lage des Hotels, zu dem das Spitzenrestaurant gehört, ist einzigartig: Hoch oben über der Stadt, auf der «Collina d'Oro», dem goldenen Hügel liegt diese prachtvolle ehemalige Sommerresidenz, die sich Erbprinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen 1898 hatte erbauen lassen. Der Blick über Lugano, den See und die Berge ist schlicht atemberaubend. Im Restaurant zelebriert man grosse Klassiker der Haute Cuisine, etwa Loup de mer im Salzmantel, stilecht am Tisch tranchiert – doch auch hier sind natürlich die südlichen Einflüsse spürbar. Moreschi beginnt ultraklassisch und makellos mit einer Foie Gras im Zusammenspiel mit Rhabarber, Portweingelee und Brioche und steigert sich nochmal mit einem herrlichen Hummerragout in Champagnerschaum. Darauf folgt in Panko ausgebackener Thunfisch auf einem aufwendig arrangierten Mosaik aus Peperoni-, Safran- und Basilikummayonnaise, ehe die Reise mit meisterhaft gearbeiteten Capellaci, mit leicht flüssigem Eigelb gefüllt und sekundiert von Morcheln und Spargeln unzweifelhaft in Richtung Süden geht. Und natürlich darf auch Risotto nicht fehlen, intensiv mit Bärlauch gewürzt und überraschenderweise als Füllung in einem Stück Kabeljau versteckt. Der Garpunkt? Perfetto! Die Textur? Al dente und all`onda… dopo tutto, siamo in Ticino!
Thunfisch im Pankomantel auf einem Mosaik aus Pepperoni-, Safran- und Basilikummayonnaise in der «Villa Principe Leopoldo».
I DUE SUD
Das Beste aus Süditalien und dem Tessin – die Küche von Domenico Ruberto ist die zurzeit wohl kreativste von ganz Lugano.
www.robertonaldicollection.com/ristorante-i-due-sud/de
VILLA PRINCIPE LEOPOLDO
Klassische Grande Cuisine trifft auf Tessiner und italienische Akzente, und dazu eine überwältigende Aussicht auf den See und die Stadt.
www.leopoldohotel.com/de/restaurant-ba
Das «schönste Dorf der Schweiz» und vielleicht meistfotografierte Sujet des Tessins lockt nicht nur mit einer monumentalen Szenerie, sondern auch mit wirklich gutem Essen.
Woran mag es liegen, dass Morcote nicht nur als «Perle des Ceresio» gilt, sondern 2016 gar zum «schönsten Dorf der Schweiz» gewählt wurde? Vielleicht sind es seine romantisch-verwinkelten Gassen, die Laubengänge der alten Patrizierhäuser, die architektonischen Monumente oder einfach seine fantastische Lage? Wer mit dem Schiff ankommt, bestaunt als Erstes die Häuserfront am See mit ihren herrschaftlichen Bauten, prächtigen Arkaden, und dringt dann durch die mittelalterlichen Gassen in den Dorfkern vor, von wo aus ein spektakulärer Kreuzweg über rund 400 Stufen hinauf zur Wallfahrtskirche Santa Maria del Sasso führt. Und dann wäre da noch der «Parco Scherrer», eine grandiose Mischung aus subtropischem Park und exotischem Kunstpavillon …
Solche perfekten Risotti werden immer al dente serviert und sind selbstredend «all'onda», leicht flüssig, suppig, cremig, kurzum, der Garpunkt ist in optima forma getroffen.
Und in Morcote kann man ein wirklich gutes Risotto geniessen! Natürlich; bei diesem Lugano-Trip war wirklich jedes Risotto ganz hervorragend, sei es im Grotto della Salute oder im Grotto dell’ Ortiga – im Tessin hat man die Zubereitung dieses eigentlich simplen Reisgerichts zur Kunstform erhoben, und zwar von A bis Z. Das beginnt mit der Wahl des Reises (der auch im Tessin angebaut wird) und führt über einen sorgfältigen Garprozess von der «tostatura», bei der die Reiskörner glasig angedünstet werden, bis zur «cottura», dem leisen Köcheln, das lediglich vom schöpflöffelweisen Hinzufügen der heissen Brühe und unablässigem Rühren unterbrochen wird.
Zwei Gründe für einen Trip nach Morcote: Das Risotto im «Barcaioli» und natürlich die überwältigende Szenerie.
Solche perfekten Risotti werden immer al dente, also mit wirklich spürbarem Biss serviert und sind selbstredend «all`onda», leicht flüssig, suppig, cremig, sie werfen Wellen (ital. onde), kurzum, der Garpunkt ist in optima forma getroffen. Ein solches Risotto gibt es auch in Morcote im «Barcaioli», einem etwas unscheinbaren Ristorante, trotz seiner prominenten Lage direkt bei der Schiffsanlegestelle. Auf schwarzen Schiefertafeln stehen die Tagesgerichte, auf einem alten Kohleofen köchelt die Polenta in einem Kupferkessel vor sich hin; alles gute Vorzeichen. Die Spezialität des Hauses: Risotto in Perfektion, zur finalen Verfeinerung in einem ausgehöhlten Grana-Padano-Laib durchgerührt, wo dampfend fliessender Reis dem Käselaib nach und nach seine Salzigkeit, seine Würze und eine Unmenge an Geschmack entlockt – himmlisch!
RISTORANTE BARCAIOLI
Obwohl direkt bei der Schiffsanlegestelle gelegen, ist das Barcaioli alles andere als eine Touristenfalle; hier essen viele Einheimische. Kein Wunder, das Risotto aus dem Grana-Padano-Laib ist auch wirklich hervorragend!
www.facebook.com/ristorantebarcaioli
Wer Lugano mit ein paar kulinarischen Souvenirs verlassen möchte, hält sich am besten an diese ausgesuchten Adressen:
GABBANI
Mehr als nur ein Delikatessengeschäft: Dieser Feinschmeckertempel hat sich längst als eines der Wahrzeichen von Lugano etabliert. Frische Früchte und Gemüse, regionale Käsespezialitäten, ausgesuchte Charcuterie, edles Fleisch, feinstes Brot, Süssgebäck sowie eine tolle Weinauswahl lassen kaum Wünsche offen. Antipasti und Streetfood runden das Angebot ab.
www.gabbani.com
CIBODIVINO / BERNASCONI
Seit 1896 ist die Gastronomia Bernasconi Fixstern für Feinschmecker in der Region Lugano. Gleichzeitig ist das Geschäft auch eine Bar: Vom Kaffee bis zum Aperitif und Cocktails ist alles zu haben.
www.cibodivino.ch
GRAND CAFÉ AL PORTO
Feinste Patisseriekreationen, Torten, Kleingebäck, Pralinés, Spezialitäten wie Panettone, Amaretti, sowie eine grosse Brotauswahl ... und «dulcis in fundo» besondere Geschenkideen, fantasievoll verpackte Köstlichkeiten.
www.grand-cafe-lugano.ch
Unser Reiseredaktor Nicolas Bollinger interessiert sich stets für die kleinen feinen kulturellen Unterschiede, die einem beim Reisen auffallen. Heute: spontane Geheimtipps.
Die Schweizer lieben italienisches Essen; logisch, dass es in diesem Land Pizzerien wie Sand am Meer gibt. Bei einer kulinarischen Reise ins Tessin denkt man trotz der Nähe zu Italien nicht zuallererst an Pizza, schliesslich gibt es die ja überall. Doch das Gespräch während einer Taxifahrt kann Geheimtipps von unschätzbarem Wert hervorbringen, etwa diesen: Etwas versteckt in einer unscheinbaren Passage in der Via Canova soll es im «Acqua & Farina» eine der besten Pizzen der Schweiz geben! Nach einem spontanen Besuch kann ich klar sagen: Oh ja! Spätestens hier ist jedoch eine «Warnung» angebracht: Diese Pizza ist stilistisch eine «vera pizza napoletana», die sich vom in der Deutschschweiz verbreiteten dünnen, flachen und knusprigen Teigfladen merklich unterscheidet. Weil man den Teig mindestens 48 Stunden gehen lässt, ihn arbeiten lässt und nur ganz kurz bei sehr hoher Hitze bäckt, entsteht eine Pizza, die leicht und dennoch voluminös, mit filigraner Kruste daherkommt – und mit enorm viel Geschmack. Durch die Fermentation ist dieser Teig unerhört luftig, zart und geschmeidig. Meine «Margherita», ganz puristisch mit San-Marzano-Tomaten aus Kampanien, Fior di Latte aus Neapel, Olivenöl und Basilikum war jedenfalls ein grossartiges Erlebnis – Taxifahrer sei Dank!
Ein Schnappschuss
Ja, man könnte diese Pizza für unglaublich mächtig und teigig halten, doch der Eindruck täuscht: Diese Margherita aus dem «Acqua & Farina» ist ein luftig-filigranes Meisterwerk.