Ab und zu darf es auch ein saftiges Stück Rindfleisch von den weiten Grasweiden Brasiliens sein, oder ein Lammgigot von den grünen Hügeln Schottlands. Beim Wild aber, da bin ich heikel. Da werde ich sogar fast etwas patriotisch. Die Bündner Berge, die Wälder des Berner Oberlands oder die schroffen Täler des Wallis, ich liebe diese Landschaften und finde etwas von ihrem Duft und Zauber auch auf dem Teller wieder, wenn ich ein zartes Rehschnitzel oder einen rustikalen Wildschweinpfeffer geniesse. Diese Gerichte müssen einfach aus einheimischer Jagd stammen. Vielleicht kann ich beim Elsass oder beim Schwarzwald noch ein Auge zudrücken. Und dann wäre es natürlich ein Sakrileg, dazu einen Wein aus Südfrankreich oder der Toskana zu entkorken. Da muss es einfach auch ein einheimischer Wein sein, der die gleiche Luft der Berge und Täler geatmet hat wie das Wild auf dem Teller.
Und diese Weine gibt es! Zwei möchte ich Ihnen vorstellen:
Pinot Noir aus dem Bündnerland
Die Pinot Noir Weine haben alle eine geschmackliche Nähe zu Wald und Wild. Oft verströmen sie einen Duft, der ganz direkt an einen Herbstspaziergang durch verrottendes Laub erinnert oder an Holzrauch, Leder und Pilze. Reife Pinots können so wie kein anderer Wein eine einmalige sinnliche Magie verströmen. Sie gehören zum Herbst wie das Wild. Vor allem passen sie hervorragend zu den zarten Gerichten aus Rehfleisch wie Rehmedaillons oder Rehrücken. Übrigens, nicht nur im Bündnerland, auch im Wallis wachsen wunderbare gehaltvolle und komplexe Weine aus dieser Rebsorte.
Cornalin oder Landroter
Diese Walliser Spezialität ist bei uns in der «Üsserschwiiz» leider immer noch viel zu wenig bekannt. Sie hätte viel mehr Zuneigung verdient. Vor fünfzig Jahren war die Rebsorte sogar kurz vor dem Aussterben. Sie ist nämlich schwierig im Anbau und macht es dem Winzer nicht einfach. Heute aber sind wieder etwa 140 Hektaren damit bestockt und die Tendenz ist steigend. Man findet in ihrem Duftstrauss Aromen, die an Nelken, Pfeffer und sogar Zimt erinnern und damit Gewürznoten aufnehmen, die man in vielen Wildgerichten findet. Die Weine sind kräftig und rustikal und passen daher auch eher zu kräftigen Wildgerichten und zu Wildpfeffer.
Annemarie Wildeisen und Beat Koelliker im Gespräch
Annemarie Wildeisen: Du schreibst in deinem Artikel begeistert vom Cornalin, aber der hat doch auch noch eine «Schwester», der Humagne Rouge, und die schmeckt mir zu Wild ganz besonders gut.
Beat Koelliker: Da hast du natürlich vollkommen Recht. Auch dieser Wein duftet nach Waldbeeren, herbstlichem Unterholz und schwarzen Kirschen und ist damit wie der Cornalin ein wunderbarer Begleiter zu etwas robusteren, kräftigen Wildgerichten. Die zwei sind wirklich fast so etwas wie ein Geschwisterpaar, beide sind etwas wild und echte Kinder der Berge.
Nochmals zurück zum Cornalin. Im benachbarten Valle d’Aosta wächst auch ein Cornalin, ist das der gleiche Wein?
Da stichst du in ein Wespennest, denn mit den Namen ist das so eine Sache. Der Walliser Humagne Rouge heisst im Aostatal Cornalin. Man nennt ihn daher oft auch Cornalin d’Aoste und den Walliser Cornalin du Valais, um sie zu unterscheiden. Aber damit noch nicht genug, es gibt im Wallis auch einen Humagne Blanche, der hat aber gar nichts mit dem Humagne Rouge zu tun. Und, um die Nichtwalliser noch etwas mehr zu verwirren, heisst der Cornalin du Valais oft auch Landroter oder Rouge du Pays. Ich kann wirklich nichts dafür.
Jetzt habe ich noch eine ganz andere Frage: Nun ist ja endlich wieder Marronizeit. Und die spielen ja in der Wildküche auch eine grosse Rolle. Was hat das für einen Einfluss auf die Weinwahl?
Kastanien bringen ja immer eine süssliche Note mit ins Spiel, sei das als Beilage oder als Füllung beim Wildgeflügel. Und mit den Kastanien kommt auch ein Hauch Tessin oder Italien auf den Tisch. Ein bisschen contre cœur würde ich daher auch von meinem Grundsatz etwas abweichen und einen Wein aus Italien in Betracht ziehen. Zum Beispiel einen Vino nobile di Montepulciano oder, wenn die Süsse sehr ausgeprägt ist, sogar einen Recioto della Valpolicella.
Und bei einem Kastaniendessert?
Ich oute mich gerne als Fan eines mit Zucker und Butter karamellisierten und grosszügig mit Rahm durchzogenen Kastanienpürees. Da passt nur ein feiner Dessertwein dazu, zum Beispiel ein Madeira oder auch klassischer Vin Santo.