Es ist schon einige Jahre her, da wurde ich an der grossen italienischen Weinmesse, der Vinitaly in Verona, zu einer Weinverkostung eingeladen. Man überraschte uns mit Amarone, Gorgonzola, einigen Baumnüssen und ein paar Tropfen Akazienhonig. Die Kombination war zwar nicht eben originell, aber schlicht und einfach umwerfend! Noch heute, mehrere Jahre später, stellt sich mir, wenn ich daran denke, der unvergleichliche Geschmack wieder her. Damals hat alles gestimmt und der Beweis wurde erbracht: Wein und Käse sind ein Traumpaar!
Aber aufgepasst! Da gibt es zum Beispiel die alten (und damit sakrosankten) Regeln: «Zu Käse passt am besten Rotwein» oder «Käse schliesst den Magen». Regeln von gestern, die man getrost über Bord werfen kann, denn «den Käse», der da gemeint ist, gibt es nicht. Käse ist nicht nur ein Kontinent, Käse ist eine Welt. Er kann von Kühen stammen, von Schafen oder Ziegen, er kann frisch sein oder gereift, er kann mit Kräutern, Blättern oder Asche gewürzt sein, ganz abgesehen von den vielen Schimmelpilzarten, die seinen Geschmack erweitern und vertiefen. Ein französischer Staatspräsident soll einmal geseufzt haben: «Es ist einfach unmöglich, ein Land mit so vielen Käsesorten zu regieren.» Und das ist erst Frankreich! Ich schweige von Italien, Deutschland, der Schweiz und ...
Trotzdem, es gibt ein paar einfache und allgemein gültige Regeln.
Erstens und am wichtigsten:
Käse, direkt aus dem Kühlschrank, schmeckt immer wie Gummi, egal woher er stammt oder wie er hergestellt wurde. Käse muss mindestens eine Stunde vor dem Genuss chambriert werden. Nur dann entfaltet er sein volles Aroma.
Zweitens:
Salz und Tannin vertragen sich nicht. Nie! Junge, noch stark vom Tannin geprägte Rotweine schmecken mit einem salzigen Käse hart, bitter und im schlimmsten Fall einfach nur metallisch. Das Gleiche gilt für im Holzfass ausgebaute Rotweine.
Drittens:
Ich komme auf mein Verona-Erlebnis zurück: Salz und Süsse vertragen sich bestens. Ja, sie lieben sich. Von leicht süss bis richtig süss und von leicht salzig bis richtig salzig stimmt alles. Ein leicht süsser Riesling von der Mosel oder ein schwerer süsser Portwein aus Portugal passen beide, wenn der Salzgehalt des Käses stimmt.
Und viertens:
Ein Käse und ein Wein aus der gleichen Region sind verwandt. Die gleiche Sonne hat sie grossgezogen und der gleiche Geschmack hat sie geprägt. Sie passen zueinander wie zwei Geschwister.
Annemarie Wildeisen: Ich gehöre noch zu der Generation «Käse schliesst den Magen» und da werde ich immer wieder gefragt, soll man den Käse vor oder nach dem Dessert servieren? Was ist deine Meinung dazu?
Beat Koelliker: Also in der klassischen französischen Küche kommt nach dem Hauptgang zuerst der Käse. Er schliesst mit seinen meist kräftigen salzigen Aromen das eigentliche Essen ab. Nachher erst folgt das Dessert. Die alte Regel, «Käse schliesst den Magen», ist also so falsch nicht.
Du weisst, ich liebe Weichkäse mit weisser Rinde, wie zum Beispiel den Brie de Meaux oder den Camembert. Dazu sagst du aber gar nichts in deinem Artikel.
Ja, diese Käse sind ein herrlich cremiges Wunder der Kulinarik. Der Schimmel der Rinde trägt auch seinen Teil zum nussigen und fast champignonartigen Geschmack des Käses bei. Da passen fruchtige, elegante Rotweine mit keinem oder wenig Holz, wie ein Beaujolais oder ein Pinot aus der Ostschweiz ganz gut. Es können aber auch gereifte Weine, deren Tannin sich schon abgebaut hat, gut dazu kombiniert werden. Auch hier gilt: Probieren geht über Studieren.
Gut, ich werde da ein wenig herumpröbeln. Ausser den weissen gibt es ja auch noch den Rotschimmelkäse, wie den Münster. Diese Käse sind ungeheuer aromatisch und jeder Wein läuft Gefahr, von dieser Aromafülle erschlagen zu werden.
Genau, deshalb passt natürlich am besten ein richtig gehaltvoller Weisswein dazu, ein extraktreicher Grauburgunder zum Beispiel. Aber hier würde ich auch einen edelsüssen Gewürztraminer aus dem Elsass empfehlen, der ja aus der gleichen Gegend stammt und deshalb auch so gut zum überschwänglichen Käse passt.
Mein Vater hat die typisch schweizerischen Hartkäse geliebt und bei uns zu Hause gab es immer ein ordentliches Stück Gruyère oder Emmentaler im Kühlschrank. Den hat er dann nach dem Essen auf den Tisch gestellt und wir haben uns immer mit Vergnügen darüber hergemacht.
Das ist eigentlich die ganz klassische Art, ein Essen abzuschliessen. Man hat noch etwas gereiften Wein im Glas oder in der Flasche und geniesst diesen Rest zu einem Stück ebenso reifem Hartkäse. Das gelingt aber nur bei einem wirklich reifen Wein.
Gehen wir nochmals einen Schritt zurück. Ich liebe es, ein Mahl mit einem Ziegenkäse zu beginnen. Welchen Wein empfiehlst du dazu?
Ziegenkäse ist immer leicht säuerlich, man sollt ihn daher eher mit einem nicht nur säurebetonten Wein kombinieren. Am Anfang eines Menüs empfiehlt sich daher eher ein nicht allzu schwerer fruchtiger Weisswein, ein Riesling oder ein Sauvignon blanc.