Ein Leben wie im Paradies // Gewährt uns Vater Rhein; // Ich geb es zu, ein Kuss ist süss, // Doch süsser ist der Wein.» So besingt ein deutscher Dichter im 18. Jahrhundert den Strom, der seit jeher zu den wichtigsten Lebensadern Europas gehört. Und tatsächlich: Wer dem Rhein entlang reist, den erwartet eine Bandbreite kulinarischer Höhepunkte, die den geneigten Geniesser sich tatsächlich im Paradies wähnen lässt. Und das sicherlich nicht nur des Weines wegen. Aussergewöhnlich behaglich wird eine solche Expedition allerdings, wenn man sich nicht nur entlang, sondern auch auf dem Rhein fortbewegt. Und so versteht es sich, dass eine Schiffsreise durch diese Gewässer – durch das französische Elsass bis nach Baden-Württemberg – kaum zu übertreffen sein dürfte.
Schwimmendes Hotel auf dem Rhein: Die Excellence Princess.
Unsere Reise beginnt in der drittgrössten Stadt des Elsass, in Colmar, wo zahlreiche bedeutende Bürgerhäuser aus dem Mittelalter und der Renaissance stehen, die der Altstadt über die Jahrhunderte ihren Charakter bewahrt haben. Besonders augenfällig ist das im Gerberviertel, das aus hohen Fachwerkhäusern gebaut ist, die grösstenteils aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen. Diese Gebäude beherbergten einst die Familien der Gerber, die dort wohnten, arbeiteten und ihre Felle in der obersten Etage trocknen liessen. Nicht verpassen sollte man den als petite Venise – klein Venedig – bezeichneten Abschnitt des Flüsschens Lauch, an dem die alten Häuser direkt am Wasser stehen. In der nicht weit entfernten Markthalle macht ein reichhaltiges Angebot an Gemüse, Früchten, Fisch, Käse, Fleisch und natürlich Wurst Hunger auf mehr. Doch wie kommen der knurrende Magen und der anspruchsvolle Gaumen gleichsam auf ihre Kosten? Beispielsweise bei Spitzenkoch Jean-Yves Schillinger: Grossartig ist etwa seine Variation vom schwarzen Bigorre-Schwein, das gebraten, geschmort und lackiert, aber auch als Millefeuille mit Lardo auf den Teller gelangt. Höhepunkt ist aber definitiv das Dessert, genauer gesagt die süssen Tapas, die man bereits vor Menübeginn bestellen muss. Auf einer Etagère türmen sich alsbald moderne Interpretationen von französischen Dessertklassikern wie Île flottante, tarte tatin, baba au rhum, Paris-Brest oder éclair. Schlicht und einfach Köstlich.
Wir fahren ins unweit gelegene Breisach am Rhein, wo wir nun endlich an Bord gehen. Unser Schiff, die Excellence Princess, bietet viel Licht, viel Raum, Luxus und alle Annehmlichkeiten, die eine Flussreise zu einem so besonderen Erlebnis machen. Denn wo sonst kann man vom eigenen Bett aus die Welt an sich vorbeiziehen sehen, auf dem Deck die letzten wärmenden Strahlen der Herbstsonne aufsaugen oder in der glasüberdachten Lounge bei einem Drink sich in der stetig wandelnden Flusslandschaft verlieren? Das opulente Menü am Abend beenden wir stilvoll bei gepflegter Pianomusik und einem Digestif – das Leben kann so schön sein, und Reisen selten so angenehm.
Das malerischste Viertel von Strasbourg: La Petite France.
Am nächsten Morgen ankern wir in Kehl, das sich nur wenige Minuten entfernt von unserem nächsten Ziel befindet, Strasbourg. Mittelalterliche Fachwerkhäuser, verwinkelte Gassen, das Flüsschen Ill mit seinen Kanälen und vor allem das Münster «Notre Dame» prägen dieses Juwel am Rhein. In diesem Schmelztiegel von Kulturen, Traditionen und Moderne laufen auch in kulinarischer Hinsicht die Fäden zusammen, sodass sich hier auf engstem Raum alles findet, was die elsässische Küche ausmacht. So kann sich Strasbourg der Erfindung der Pâté de foie rühmen, die sich um 1780 ein junger Küchenchef ausgedacht hatte. Unbestritten ist darüber hinaus der Ruf der Elsässer als Meister des Räucherns und Pökelns: Pasteten und Terrinen, Kochwürste und Aufschnitt haben die Region berühmt gemacht – und doch stehen sie alle im Schatten des unvergleichlichen Sauerkrauts, der Choucroute. Es heisst, jedes Dorf im Elsass habe sein eigenes Rezept für dieses üppige Mahl aus milchsauer vergorenem Weisskabis, auf dem sich ein ansehnlicher Berg von verschiedenen Würsten, Speck, gepökelter Schulter, geräuchertem Schinken und Kartoffeln türmt.
In Strasbourg findet sich auf engstem Raum alles, was die elsässische Küche ausmacht.
Die traditionelle Spezialität kostet man am besten in einer Winstub, diesen elsässischen Gaststätten mit ihrer warmherzigen und geselligen Atmosphäre. Die vielleicht schönste Winstub der Stadt ist im Maison Kammerzell zu finden. Als Teil der historischen Altstadt gehört es seit 1988 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die gotischen Fundamente des Gebäudes stammen aus dem Jahr 1427. 1467 und 1589 wurden die prächtigen, in Holz verzierten Fachwerke gebaut, die das Haus zum bedeutendsten Profanbau von Strasbourg machen.
Köstliche «Schweinereien» bei Jean-Yves Schillinger in Colmar.
Doch auch aus nicht-architektonischen Gründen lohnt es sich, dort einzukehren. Eine Spezialität des Hauses ist die selbstgemachte Foie gras nach eigenem Rezept mit Gewürztraminergelee und Früchtekompott, doch auch der Coq au Riesling ist vollumfänglich zu empfehlen. Wie man es jedoch dreht und wendet, an der Choucroute gibt es auch im Kammerzell kein Vorbeikommen, wo das Kraut mit bis zu 10 Fleischsorten, darunter auch Leberknödel und Blutwurst, serviert wird. Oder als Choucroute aux Trois poissons. Eine so gute Choucroute wie diese schmeckt denn auch nicht einfach nur sauer, sondern würzig nach Wacholder, Pfeffer, Nelken, Lorbeer und einem Hauch Süsse.
Markthalle von Colmar.
Nun aber schleunigst zurück nach Kehl, wo die Excellence Princess bald wieder ablegt. Auf den Trubel der Grossstadt folgen Mussestunden auf dem Rhein; ehe man sich schick macht für das elegante Galadinner. Als wir am nächsten Morgen im deutschen Plittersdorf unwiderruflich an Land gehen, ist die Reise noch nicht zu Ende: Denn jetzt fahren wir an den Rand des Schwarzwalds, nach Baden-Baden. Auch die mondäne Bäder- und Kulturstadt ist ein Paradies für alle, die Genuss auf hohem Niveau schätzen. Für grösstmögliches Wohlbefinden garantieren die beiden Thermalbäder und zahlreiche Wellnesshotels. Selbstredend kommt auch das leibliche Wohl nicht zu kurz, etwa im Jardin de France, wo die geografische und kulinarische Nähe zu Frankreich in vollen Zügen genossen werden kann: Rindsfilettatar mit Foie gras, Wachtelei, Parmesan und Herbsttrüffel, danach hausgemachte Hummerravioli mit Steinpilzen «en Persillade» mit Hummervelouté und zum Schluss Choux au chocolat mit Ananas-Passionsfruchtsalat. Gesättigt und glücklich besteigen wir den Reisecar, der uns zu unserer letzten Station, dem Titisee im Südschwarzwald, bringt. Die ideale Gelegenheit, sich mit Schwarzwälder Schinken, rauchigem Speck oder Räucherfilet einzudecken – denn der nächste Hunger kommt bestimmt.
© Bilder: Tourisme Alsace / Reisebüro Mittelthurgau / C. Bollinger.