Wer ins Veneto reist, den zieht es meistens nach Venedig, nicht nach Padua. 30 km westlich von der berühmten Lagunenstadt liegt ebendieses Padua, und wer dort jemals haltgemacht hat, der hat es nicht bereut. Denn Gründe, dorthin zu reisen, gibt es viele: Die Universitäts- und Pilgerstadt bietet weitläufige Fussgängerzonen, jede Menge Arkaden und eine prächtige Renaissancekulisse. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten gehört die Basilika Sant’Antonio, die zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert erbaut wurde und eine der meistbesuchten sakralen Bauten des Landes ist. Die Fresken Giottos zieren die Scrovegni- Kapelle, die auf den Ruinen eines römischen Theaters im 14. Jahrhundert erbaut wurde.
Die prachtvolle Architektur der Renaissance verfolgt einen in Padua auf Schritt und Tritt: Blick von den Türmen der Basilika Santa Giustina auf den Prato della Valle
Durch die perfekt erhaltene Altstadt führt ein Gewirr aus Strassen und Gassen, das sich atemberaubend weitet, wenn man auf den Prato della Valle hinaustritt, den drittgrössten Innenstadtplatz Europas.
Die Parkanlage wurde im 18. Jahrhundert nach der Trockenlegung der Sümpfe angelegt. Weitere geschichtsträchtige Stätten sind der Botanischen Garten, der Palazzo del Capitano von 1605 sowie der Palazzo della Ragione aus dem 13. Jahrhundert.
Padua ist eine alte Stadt – gegründet im 10. Jahrhundert v. Chr. – , die trotz ihrer ruhmreichen Vergangenheit und ihrem Reichtum an Kulturschätzen nicht alt wirkt. Und darin unterscheidet sie sich merklich von Venedig, das immer mehr zu einem Museum verkommt. Die moderne Stadt Padua ist gleichzeitig ein boomender Industriestandort, der eine der wichtigsten und ältesten Universitäten Italiens beherbergt. Nicht zuletzt deswegen pulsiert in Padua das Leben. In der zweiten Julihälfte verwandeln sich während des kulinarischen Events «Padova da Gustare» die Piazzas der Stadt in Open-Air-Restaurants. Doch auch während des ganzen Jahres präsentiert sich Padua als wahres Paradies für Feinschmecker. Kulinarischer Rundgang gefällig?
Palazzo della Ragione von der Piazza dei Frutti aus gesehen
Der traditionsbewusste Paduaner begibt sich morgens ins Caffè Pedrocchi, seit 1831 eine Institution und das wohl berühmteste Kaffeehaus Italiens. Dort nimmt man klassischerweise einen Caffè Pedrocchi zu sich, einen Espresso mit Sahne und Pfefferminzlikör (klingt gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber köstlich). Wer knapp bei Kasse ist, sollte sich übrigens nicht in den roten oder weissen, sondern in den grünen Saal setzen: Das liegt an der Tradition, armen Studenten einen Platz zu bieten, an dem sie einfach sein durften, ohne etwas konsumieren zu müssen. Gestärkt geht es nun weiter zum Palazzo della Ragione, der zwischen den beiden riesigen Marktplätzen Piazza delle Erbe und Piazza dei Frutti liegt. Dort sowie in den Arkaden des Palastes bieten Händler eine nahezu verschwenderische Auswahl an Delikatessen: Früchte, Gemüse, Käse, Wurst, luftgetrockneter Schinken, für den die Region besonders bekannt ist, sowie Fische und Meeresfrüchte aus der nahegelegenen Lagune. Und natürlich Hühnerfleisch. Denn dafür ist Padua richtiggehend berühmt; hat es doch mit dem Paduaner Huhn gleich eine eigene Geflügelrasse. Nebst einem auffälligen Federschopf gefällt das Huhn auch mit hervorragendem, im Geschmack an Fasan erinnerndem Fleisch. Wer sich davon überzeugen möchte – und da es bald Zeit für ein Mittagessen ist – ,für den gibt es an der Antica Trattoria dei Paccagnella kein Vorbeikommen. Denn dort versteht man sich meisterhaft auf die Zubereitung des Paduaner Geflügels. Die berühmten Bigoli con sugo di gallina imbriaga – Bigoli mit «betrunkenem» Huhn von Küchenchef Raffaele Tombolato sind dafür das beste Beispiel. Die Paduanische Küche verdankt dieses Gericht ihrer bäuerlichen Tradition. Das Rezept ist sehr alt und stammt aus einer Zeit, als es Brauch war, das Huhn während der Brutzeit betrunken zu machen, sodass es auf den Eiern sitzen blieb. Man fütterte es mit in Wein getunktem Brot – und irgendwann merkte man, dass das Hühnerfleisch den intensiven Geschmack des Weins angenommen hatte. Daher der Name. Auch wenn diese Methode heute der Vergangenheit angehört, das köstliche Aroma dieses Gerichts ist geblieben.
In den Arkaden des Palazzo della Ragione reiht sich ein Feinkostgeschäft an das nächste; hier gibt es auch eine riesige Auswahl an frischer Pasta.
Zeit für einen Verdauungsspaziergang, vorbei an der Basilica di SantAntonio, die dem heiligen Antonius von Padua gewidmet ist und massenhaft Pilgerinnen und Pilger aus der ganzen Welt anzieht. Ziel ist der Prato della Valle, jener gewaltige, von Palästen umgebene Platz mit seiner Brunnenanlage, seinen 80 Statuen, 8 Obelisken und 16 dekorierten Vasen. Den Prato zu umrunden und zu durchqueren, ist ein Fest für die Sinne und ein Vergnügen für jeden Flaneur.
Sollte der Appetit auf das Abendessen noch auf sich warten lassen, empfiehlt sich ein Besuch in einer der zahlreichen Weinbars.
Besonders schön ist etwa die Enoteca da Severino di Scanferla Odone, wo sich die berühmten Weine des Veneto in gepflegter Atmosphäre degustieren lassen. Wer nun wieder Hunger hat, ist im Vecchio Falconiere an der richtigen Adresse, denn nirgendwo sonst in Padua kann man sich besser der Fleischeslust hingeben. Carne cruda, puristisch nur mit Meersalz gewürzt, bildet einen gelungenen Einstieg auf das, was noch kommt. Aushängeschild des Hauses ist die Tagliata, die hier richtiggehend zelebriert wird. In bedächtiger Ruhe rollt Chef Mohamed Shalaby den Fleischwagen, auf dem sich verlockendes Rindfleisch bergeweise türmt, an den Tisch. Idealerweise lässt man sich vom Patron eine Auswahl von Stücken diverser Rinderrassen zusammenstellen – Chianina darf auf keinen Fall fehlen – ,die dann sogleich vor den Augen des Gastes zubereitet wird. Auf einer mobilen Herdplatte wird der Teller glühend heiss erhitzt, sodass die alsbald daraufgelegten, dünn geschnittenen Fleischtranchen zischend und brutzelnd serviert werden. Kaum möchte man sich darauf stürzen, mischen sich von den Nebentischen die unwiderstehlichen Düfte weissen Trüffels und von frisch geschabtem Parmesan, der auf dampfenden Risotto trifft, und man wähnt sich in paradiesischen Sphären. In Padua ist das Alltag.