Warum nach Luzern? Aus der Perspektive eines Touristen scheint die Antwort auf der Hand zu liegen: Da liegt diese nicht allzugrosse Stadt mitten im Herzen der Schweiz, eingebettet in ein überwältigendes Bergpanorama – das Tor zur Zentralschweiz, zum Vierwaldstättersee. Postkartenidylle: die gedeckte, mittelalterliche Kapellbrücke mit ihren Giebelgemälden, mit Fresken geschmückte Häuser in einer autofreien Altstadt, die Jesuitenkirche aus dem 17. Jahrhundert, der erste sakrale Barockbau der Schweiz. Und dann die unzähligen Souvenir- und Uhrengeschäfte, die Nähe zu Rigi, Pilatus, Bürgenstock oder Stanserhorn, nicht zu vergessen das Verkehrshaus und selbstredend das KKL, das einem immer wieder vor Augen führt, dass Tradition und Moderne auch in Luzern dicht miteinander verwoben sind. Das futuristische Kultur- und Kongresszentrum des französischen Stararchitekten Jean Nouvel ist denn auch Wahrzeichen der «Festivalstadt Luzern» mit einer Vielzahl an kulturellen Anlässen. Diese Aufzählung an Highlights liesse sich noch lange weiterführen; sodass auch Herr und Frau Schweizer bald wieder mit dem Gedanken spielen dürften, in die Zentralschweiz zu reisen.
Ein Aspekt, dem man dabei allerdings viel mehr Beachtung schenken sollte, ist die Kulinarik. Obwohl die Stadt bisher nicht wirklich ein Fixpunkt im Programm eines jeden Gourmets war, hat Luzern weitaus mehr zu bieten als Chügelipastete, Birewegge und die übliche Fondue-Raclette-Rösti-Tourimenupalette mit einer ordentlich-urchigen Prise Lokalkolorit und feinster Klischeefüllung. Dass Weltoffenheit und Internationalität hier schon immer eine grosse Rolle gespielt haben, ist wohlbekannt – und so dürfte es kein Zufall sein, dass gerade Luzern mit dem «Thai Garden» ein mit 14 Gault & Millau-Punkten ausgezeichnetes und damit das wohl beste Thai-Restaurant des Landes besitzt. Ein Besuch ist nicht nur wegen der hervorragenden gehobenen authentischen Küche (der göttlich schmeckende und dabei herrlich scharfe Papayasalat Som Tam sowie die butterzarte Ente in grünem Curry sind unbedingt zu empfehlen) ein Erlebnis: Denn wer den – fensterlosen (!) – Speisesaal über die geschwungene Haupttreppe betritt, begibt sich auf eine Expedition in eine andere Welt, inklusive tropischer Vegetation, Tempelarchitektur und künstlichem Wasserfall, was sich dann anfühlt wie ein wilder Mix aus «Indiana Jones», «Apocalypse Now» und «One Night in Bangkok» – schlicht grossartig.
Wem das dann doch eine Spur zu exotisch ist und einem der Sinn eher nach zeitlosen Klassikern steht, sollte sich in Richtung Löwendenkmal begeben. Man erinnert sich: Der sterbende Löwe, welcher zum Andenken an den Heldentod der 1792 in den Tuilerien gefallenen Schweizer in den Felsen gehauen wurde, ist eines der bekanntesten Denkmäler der Schweiz. Ein Monument kulinarischer Natur findet man ein paar Meter weiter im altehrwürdigen Old Swiss House. Zugegeben: Allein der Name und die Kulisse des historischen Riegelbaus könnte man schnell einmal als Tourifalle abtun. Tun Sie das nicht! Denn drinnen ist es edel, gediegen, durch und durch aus der Zeit gefallen und jeder Quadratzentimeter ist behaftet mit Geschichte. Hier zelebriert man sie noch, die grossen Klassiker; hier serviert man noch eine Crêpe Suzette, die den Namen verdient, und selbstverständlich rollt man dafür eigens den Flambierwagen an den Tisch; genau so selbstverständlich wie man vor den Augen des Gastes die hauseigene Sauce für das Carpaccio zusammenrührt. Und über allem dieser Duft von Butter. Das hat seinen Grund: Seit über 70 Jahren und etwa 1000-mal pro Monat zelebriert man im Old Swiss House das unvergleichliche «escalope de veau à la façon du patron», eine Art Wienerschnitzel mit dem besonderen «Etwas», von A bis Z am Tisch zubereitet. Auf dem Beistelltisch zwei grosse Schalen, in einer befindet sich eine Mischung aus Eiern, Salz, Pfeffer, Muskatnuss und Parmesan – in der anderen Paniermehl aus krustenfreiem Toastbrot. Feinstes, hauchdünn geklopftes Kalbfleisch vom «Bäggli» wird in beidem gewendet, während in einer Kupferpfanne auf dem Flambierwagen eine unanständig grosse Menge Butter schmilzt. Nein, Leichtigkeit geht definitiv anders, aber wen interessiert das, wenn er dafür mit einem unfassbar buttrigen und dennoch knusprig gebackenen Schnitzel und einer Extraportion Brösmeli belohnt wird? Eben.
Einfachheit und Bodenständigkeit auf höchstem Niveau – diese Kombination scheint für die Luzerner Gastronomie typisch zu sein. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa das «Reussbad» am Nölliturm, am Ende der Museggmauer, einem weiteren Wahrzeichen der Stadt. Was auf den ersten Blick wie eine bodenständige Quartierbeiz mit gutbürgerlicher Küche daherkommt, entpuppt sich als eine der besten Adressen für virtuose «Nose to tail»-Gerichte mit zeitgenössischem Anstrich. Küchenchef Raphael Tuor ist natürlich kein Unbekannter – erkochte er sich doch zuvor im «Adler» in Nebikon 17 Punkte im Gault Millau sowie einen Michelin-Stern. Mit der Präzision des Gourmetkochs und dem dazugehörenden Gespür für Nuancen und Ästhetik verwandelt er scheinbar Rustikales wie Markbein mit knusprigen Kalbsmilken oder Kalbskutteln mit knackigem Frühlingsgemüse an Champagnersauce mit Rösti in komplexe, aber zugleich höchst schmackhafte Wohlfühlgerichte.
«Nose to tail» – sprich, immer möglichst das ganze Tier zu verwerten – das ist auch ein Motto, nach dem Moritz Stiefel gerne kocht. Was er dann im «Stiefels Hopfenkranz» ganz schlicht als «das Beste vom Gitzi» annonciert, zeigt auch gleich eindrücklich, weshalb ihm in Luzern, was die Kreativität angeht, keiner das Wasser reichen kann: Da liegen Milken, Zunge und Herz vom Gitzi in einem Beet aus Morcheln, Erbsen und Bärlauchblättern, zusammen mit winzig kleinen knusprig gebackenen Kartoffelsplittern, und als Krönung kommt der Chef gleich persönlich an den Tisch, um seine Kreation unter der Zugabe von getrocknetem, geraspeltem Gitziherz mit einem erdigen Umamipunch zu vollenden! Was sich arg kompliziert anhört, ist aber keinesfalls unnötig verspielt, sondern gnadenlos auf klare Aromen fokussiert und wird ganz lässig aus einem Schüsselchen gelöffelt. Das beginnt schon bei den Amuses-Bouches: Diese süchtig machende Praline aus zart geschmortem Ochsenschwanz, aussen herrlich kross, innen saftig, darüber etwas Bratapfelcreme und Randenpulver – eine Wucht! Ebenso simpel wie auf den Punkt: knackiger Babylattich, den man dann als Fingerfood in eine geräucherte, mit Salatpulver bestreute Forellenespuma tunkt; und da soll noch jemand behaupten, Gourmetgerichte seien unnötig komplex. Rindstatar kann der Stiefel auch, und zwar auf die japanische Art mit Wasabimayonnaise, eingelegter Zwiebel, knackigem Rettich, Pilzpulver und knusprigen Bonitoflocken – welch ein Glück, dass er das immer auf der Karte hat, denn schon allein dieser Gang rechtfertigt die Reise nach Luzern! Wer sich beeilt, kommt vielleicht noch in den Genuss eines Tellers, den man am besten als «Frühlingsspaziergang» bezeichnen könnte. Mit dem Löffel die «Wiese» durchpflügen, bestehend aus einem Schaum von Brennnesseln und Löwenzahn, den frittierten Blättern davon, essbaren Blüten, blauen Kartoffelchips und einem fluffigen Eigelb im Zentrum – bis die darunterliegende «Erde», ein Granulat von Pilz und Pumpernickel mit hinreissendem Crunch, zum Vorschein kommt – das ist so einfach wie fulminant!
Es geht aber noch «radikaler»: Die Natur auf dem Teller spüren, was das wirklich heisst, demonstrieren Benjamin Just und Gregor Vörös mit einer kulinarischen Stilrichtung, die sie selbstbewusst «Terroirküche» nennen. «Terroir», ursprünglich ein Begriff aus der Weinsprache, meint nichts anderes als die riech- und schmeckbaren Eigenschaften einer Landschaft, die man im Produkt wiederfindet. Die Landschaft, das ist in diesem Fall nicht die Stadt Luzern, sondern einer ihrer Hausberge, die Königin der Berge, die Rigi. Was Gastgeber Vörös und Küchenchef Just im «Regina Montium», in den Räumlichkeiten des «Kräuterhotel Edelweiss» auf 1550 Meter über Meer servieren, ist tatsächlich einzigartig.
Kulinarisches Epizentrum ist der von Vörös unterhaltene Kräutergarten mit über 400 verschiedenen Pflanzen – darüber hinaus stammt ein Grossteil der Zutaten aus einem Umkreis von gut 20km und der Rest auf jeden Fall aus der Schweiz. Regionalität wird hier wirklich ernst genommen: Da werden die Würste in Schweizer Naturdärme aus Kleinstproduktion gefüllt, «sonst ist es keine Schweizer Wurst», so Gregor Vörös. Und selbst das Tonic für den Hausaperitif Gin Tonic mit Sanddorneiswürfel stammt aus eigener Produktion. Bereits die dazu gereichten Snacks sind ein wahrer Blickfang: An einer «Apéroleine» baumeln essbare Blüten und Kräuter, frittierter Federkohl und Pastrami vom Rigi-Bio-Rind; dazu werden Shisopesto, Wollschweinblutwurst sowie eine fantastische Butter gereicht. Die volle Kraft des Kräutergartens entfaltet sich anschliessend beim Zugersee Felchen-Matjes mit eingelegter russischer Gurke, Verjus, Leindotteröl und Brunnenkresse – ein subtil abgestimmter Akkord von vegetabilen und säuerlichen Noten. Mit den Worten «Ja nicht öffnen!» bringt der Chef hierauf eine hölzerne Box an den Tisch, um ein paar Minuten später das Geheimnis zu lüften: Da wurde ein makelloses Filet von der Lachsforelle in die Arvenholzkiste gesteckt und in den Ofen verfrachtet, sodass der «saunierte» Fisch den betörenden Duft frischen Holzes annimmt – in Kombination mit einem Sud aus fermentierten Fichtensprösslingen, dazu Topinambur, Kürbis, Luftradieschen und Kapuzinerkresse ist das einfach nur umwerfend. Ein Tatar vom Rigi-Bio-Jungrind katapultiert Benjamin Just durch die Zugabe von Sauerteigbrotcreme, Chinakohl-Kimchi, Bärlauchsaft und frittiertem Bärlauch in ungeahnte Sphären – und erklimmt mit jedem der weiteren sechs Gänge eine neue Stufe. Diesen Höhenflug vermag der am Menüende ausgeschenkte, mit Rigi-Heu aromatisierte Honigwein auf wohlig-wärmende Art zu verlängern und das sollte man auskosten bis zum Letzten. Denn ehe man sichs versieht, kommt der Abstieg – wenn auch nur mit der Zahnradbahn.
Diese Reise wurde unterstützt durch Luzern Tourismus.
Wo es sich am besten essen, einkaufen und staunen lässt.
1 Old Swiss House
Löwenplatz 4, 6004 Luzern
Tel. 041 410 61 71
www.oldswisshouse.ch
Traditionelle Schweizer Küche trifft auf französische Klassik, inmitten einer historischen Kulisse eines alten Riegelhauses. Das Schnitzel ist weit über die Stadtgrenzen hinaus berühmt.
2 Stiefels Hopfenkranz
Zürichstrasse 34, 6004 Luzern
Tel. 041 410 78 88
www.hopfenkranz.ch
Regional, saisonal und dabei von enormer Kreativität: Im Hopfenkranz stellt Moritz
Stiefel seinen beeindruckenden kulinarischen Einfallsreichtum unter Beweis.
3 Reussbad
Brüggligasse 19, 6004 Luzern
Tel. 041 240 54 23
www.reussbad-luzern.ch
Marktfrische Küche und schöne Nose-to-tail-Gerichte mit zeitgemässem Anstrich.
4 Regina Montium
Staffelhöheweg 61, 6356 Rigi Kaltbad
Tel. 041 399 88 00
www.kraeuterhotel.ch/index.php/de/restaurants/regina-montium
Die ultraregionale Terroirküche von Benjamin Just ist ein Grund, den Weg auf die Rigi auf sich zu nehmen.
5 Thai Garden
Pilatusstrasse 29, 6003 Luzern
Tel. 041 226 88 88
www.thaigarden-luzern.ch
Eintauchen in eine andere Welt: Der Thai Garden gilt als bestes Thai-Restaurant des Landes.
6 Luzerner Wochenmarkt
Rathausquai und Unter der Egg (rechtes Ufer) sowie auf dem Jesuitenplatz und der Bahnhofstrasse
www.luzerner-wochenmarkt.ch
Jeden Dienstag und Samstag von 6 bis 13 Uhr, findet beidseits der Reuss einer der schönsten Märkte des Landes statt.
7 Chäs-Chäller
Gibraltarstrasse 25a, 6003 Luzern
info@chaes-chaeller.ch
www.chaes-chaeller.ch
In dem über hundert Jahre alten Keller mitten in der Stadt Luzern ist Alpkäse eingelagert. Der Besuch (auf Voranmeldung) ist ein Erlebnis für Liebhaber von traditionell hergestelltem Rohmilchkäse.
8 Max Chocolatier
Schweizerhofquai 2, 6004 Luzern
Tel. 041 418 70 90
www.maxchocolatier.com
Riesiges Schokoladensortiment, das seinesgleichen sucht. Hier ist alles handgefertigt!
9 Radisson Blu
Lakefront Centre, 6005 Luzern
Tel. 041 369 90 00
www.radissonblu.com/de/Luzern
Direkt am See und in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs gelegen ist das stylische Radisson Blu der perfekte Ausgangspunkt für Erkundungstouren.
10 Kräuterhotel Edelweiss
Staffelhöheweg 61, 6356 Rigi Kaltbad
Tel. 041 399 88 00
www.kraeuterhotel.ch
Traumhafte Bergidylle an den Hängen der Rigi: Die um das Hotel angelegten Kräuter- und Entspannungsgärten sind einzigartig.
11 Verkehrshaus
Lidostrasse 5, 6006 Luzern
www.verkehrshaus.ch
Nach wie vor das wohl vielseitigste und spannendste Museum der Schweiz. Kulinarisch
Interessierte dürfte vor allem die einzigartige Themenwelt Swiss Chocolate Adventure ansprechen.
12 Rigi
www.rigi.ch
Die majestätische Lage zwischen drei Seen, die leichte Erreichbarkeit per Zahnrad- oder Luftseilbahn sowie die unvergleichliche Panoramasicht machen die «Königin der Berge» zum absoluten Highlight.
13 Museggmauer
www.museggmauer.ch
Die Museggmauer, ehemals Macht- und Herrschaftszeichen, und ihre neun Türme gehören zur historischen Stadtbefestigung Luzerns und bilden eine eindrückliche Stadtkrone.