Mein Freund Kurt sammelt Korkenzieher... und hat davon viele, sehr viele sogar, zu Hause in seiner Vitrine, gefühlt eine dreistellige Zahl. Kurt ist deshalb, und wir verargen es ihm nicht, ein eingeschworener Gegner aller Flaschenverschlüsse, die sein Lieblingswerkzeug überflüssig machen. Und doch, geschätzt werden etwa zehn Prozent aller Weine der Welt durch einen Korkschmecker beeinträchtigt. Dabei korkeln viele dieser korkelnden Weine gar nicht offensichtlich. Der Korkgeschmack ist manchmal kaum wahrnehmbar, aber er raubt den Weinen einfach den Glanz, die Ausstrahlung und damit etwas von ihrer einmaligen Seele.
Zehn Prozent ist viel! Und gar nicht wenige Weinkenner sehen für diese Prozentzahl eine eher steigende Tendenz als eine Abnahme. Kein Wunder also, dass die Winzer sich nach Alternativen umsehen. Zur Freude von Kurt entdeckten sie den «Korken» aus Plastik. Und damit bleibt alles beim Alten: der Korkenzieher, das schöne Ritual und der so heiss geliebte Plopp am Schluss, nach getaner Arbeit. Aber, wie reagiert der Wein mit seinen vielen und komplexen Inhaltsstoffen auf das synthetische Material des «Korkens»? Bei jung zu trinkenden Weinen können wir jetzt schon sagen, kein Problem. Bei längerer Lagerung könnte die Sache allerdings anders aussehen. Warten wir’s also ab.
Bei der heute gebräuchlichsten Alternative, dem Schraubverschluss, hört beim eher sanftmütigen Kurt dann allerdings der Humor auf. Der eigne sich doch nur für die einfachsten Weine, meint er. Da muss ich Kurt klar und deutlich widersprechen, in Australien und Neuseeland setzt man seit Jahrzehnten dieses System auch für hochwertige Rotweine ein, und zwar mit absolutem Erfolg. Trotzdem hat sich bei uns der Schraubverschluss noch nicht richtig durchgesetzt, vielleicht wegen dem fehlenden «Plopp», vielleicht aber auch, weil es dafür neue Abfüllanlagen und andere Flaschen braucht. «Gut», meint Kurt, «aber was ist mit der Lagerung. Ein Wein muss doch atmen können, das kann er nur bei einem Naturkorken, der immer eine winzige Menge an Luft durchlässt. Ein Schraubverschluss ist zu und lässt nichts rein und nichts raus.» Damit hat Kurt natürlich recht, aber im Wein selbst ist genügend Sauerstoff gelöst, dass er jahrelang reifen kann. Und da durch den Korken kein Sauerstoff von aussen hereinkommt, reift ein Wein mit Schraubverschluss vielleicht ein bisschen langsamer, dafür aber länger.
Annemarie Wildeisen: Ich gebe dir zwar recht, wenn du in deinem Artikel schreibst, es sei ein Skandal, dass zehn Prozent aller Weine durch Korkenfehler beeinträchtigt werden. Aber liegt die Ursache nicht weniger bei den Korken, als vielmehr bei deren Qualität? Sind nicht einfach die billig hergestellten Korken das Problem und nicht der Korken an sich?
Beat Koelliker: Das stimmt zwar einerseits, denn es gibt viele, vielleicht viel zu viele schlechte oder nur aus Korkresten zusammengeleimte Korken. Aber ich erinnere mich an einen der berühmtesten Winzer im Piemont, der für seine Weine natürlich nur die besten Korken verwendet hat. Ihm sind achtzig Prozent der Weine eines Jahrgangs durch Korkschmecker verdorben worden. Ich sah ihn im darauffolgenden Winter, er trug eine schwarze Krawatte. «Porto lutto», «ich bin in Trauer» sagte er und die Tränen waren ihm nahe. Er meinte damit nicht den materiellen Schaden, dafür gibt’s Versicherungen. Für ihn lag ein Jahr Arbeit, ein Jahr Herzblut und Leidenschaft in Scherben...
Ja, das verstehe ich, vor allem, wenn ich mir vorstelle, dass man einer Flasche von aussen ja nicht ansehen kann, ob sie zu den guten oder den schlechten gehört. Aber gibt es denn nicht noch weitere Alternativen zum Kork ausser dem Plastikkorken und dem Schraubverschluss?
Doch das gibt’s, oder besser gesagt, das würde es geben: den Kronkorken.
Du meinst die kleinen metallenen Kappen, die wir alle von den Bierflaschen her kennen.
Ja, genau diese meine ich. Sie haben sich nämlich schon seit vielen Jahrzehnten in der Schaumweinherstellung, beim Verfahren mit Flaschengärung, bewährt. Während der zweiten Gärung wird die Flasche auch bei den teuren Champagnern meist mit einem Kronkorken verschlossen. Die Technik wäre also ausgereift. Aber die Akzeptanz auf dem Markt ist noch viel geringer als beim Schraubverschluss.
Das kann ich auch gut nachvollziehen. Man stelle sich einen Kellner im Restaurant vor, der einen wertvollen Rotwein mit einem Kronkorken auf den festlich gedeckten Tisch stellt und ihn dann wie ein billiges Bier öffnet.
Und trotzdem gibt es vor allem in Australien bereits Winzer, die angefangen haben, ihre Schaumweine mit Kronkorken auf den Markt zu bringen. Vielleicht müssen wir da einfach bereit sein, liebgewordene Gewohnheiten zu hinterfragen.