Es ist schon ziemlich heiss an diesem Vormittag im Juli. Doch das ist nicht der Grund, weshalb Simon Stöckli ins Schwitzen gerät. Es ist dieses Prachtexemplar von einer Forelle, welches der junge Mann erst nach diversen Fangversuchen mit dem Netz in seinen Händen hält: «Der wiegt gut drei bis vier Kilo!» Es sind die zurzeit wohl grössten Fische, die in den Wassern der Rubigenhof Fischzucht in Rubigen BE umherschwimmen; doch während diese Forellen bald auf dem Teller eines Geniessers landen, befinden sich nur ein paar Meter weiter Hunderte von Jungtieren noch ganz am Anfang. In rund 18 Monaten wachsen die Fische hier heran, bewusst langsamer als in Grosszuchten, wo die Tiere in wesentlich kürzerer Zeit hochgemästet werden. «Das wäre weder gesund für die Fische, noch stünde es für Qualität», so Patrick Hembera, der die Zucht in Rubigen leitet, «ausserdem würde das Fleisch tranig schmecken.»
Durch die konstant geringe Wassertemperatur (normalerweise 10 bis 12 Grad, im Sommer geringfügig mehr) fressen die Fische automatisch weniger und wachsen so langsam und gesund heran. Dennoch: Sechs bis zehn Mal pro Tag wird mit Spezialfutter gefüttert, immer in kleinen Tranchen, nicht alles auf einmal, «denn sonst würde die Wasserqualität leiden», so Hembera. Eine hervorragende Wasserqualität ist das A und O bei einer guten Fischzucht. Und dass diese in Rubigen stets gewährleistet ist, wird erst durch moderne Technik möglich.
Ein Blick zurück: Am heutigen Standort in Rubigen befand sich schon in den 1970er-Jahren eine Fischzucht. Als der heutige Eigentümer Kurt Gasser diese im Jahr 2010 kaufen konnte, befand sie sich in sehr schlechtem Zustand. Für Gasser war klar, dass ein Neuanfang nur unter Berücksichtigung modernster aquakulturtechnischer Baugrundsätze möglich sein sollte: Nach drei Jahren Planungs- und Bauzeit nahm im Dezember 2013 die vielleicht modernste Forellenzucht des Landes ihren Betrieb auf, alles gemäss der Philosophie, dass der ganze Produktionszyklus von der Ei-Erbrütung zur Jungfischaufzucht, Fischhaltung, Verarbeitung-Veredelung bis hin zum Verkauf im eigenen Hofladen am selben Standort stattfindet. Das Wasser für die fünf Fliesskanäle, die Brutanlage, die Rundstrombecken und den Muttertierteich hat Trinkwasserqualität, wird aus drei Grundwasserbrunnen bezogen sowie aus einer eigenen Quelle. Nach dem Prinzip einer Teilkreislaufanlage wird das Wasser immer wieder verwendet: Im Frischwassertank werden dem Wasser Gase und Stickstoff entzogen und es wird mit Sauerstoff angereichert; Bioreaktoren und Trommelfilter sorgen dafür, dass das Wasser in bester Qualität zurück in den Kreislauf einfliesst. Das macht die Anlage enorm ressourcenschonend und nachhaltig. Zum Vergleich: Eine herkömmliche Fischzucht derselben Grösse verbraucht das Hundertfache an Wasser.
Das Leben einer «Rubigerforelle» beginnt im Bruthaus, wo die Eier erbrütet werden. Die Eier beziehe man aus den USA, so Patrick Hembera, da man eine vergleichbare Qualität hierzulande nicht finde. Nach dem Schlüpfen muss die Fischbrut behutsam und mit äusserster Vorsicht gepflegt und angefüttert werden, bis sie mit ca. einem Gramm Körpergewicht in die Jungfischabteilung umziehen. Dort wachsen sie während gut fünf Monaten, damit sie stark genug sind, um der Strömung in den Fliesskanälen zu trotzen. Denn erst durch diese permanente Strömung bleiben die Fische in Bewegung, mit dem positiven Nebeneffekt, dass dadurch ihr Fleisch zart und fest wird. Nach neun Monaten in diesen Kanälen erreichen die Forellen dann ihre «Speisegrösse».
Stolz präsentiert Simon Stöckli eine «Rubigerforelle». Dieses Prachtexemplar wiegt zwischen drei und vier Kilogramm.
Besonders um Ostern und während der Festtage ist Fisch aus Rubigen sehr gefragt. Verkaufsschlager ist immer noch ganz klassisch die Forelle – doch werden daneben auch Lachsforellen und Saiblinge gezüchtet. Dank seines unverwechselbaren Eigengeschmacks und seines hohen Gehalts an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren ist Letzterer sicher der edelste Fisch im Sortiment, «aber auch am schwierigsten zu züchten», so Hembera. Saiblinge sind von Natur aus anfälliger auf Temperaturschwankungen und durch Bakterien verursachte Krankheiten. Diese können durch Tiere aus der Umgebung, beispielsweise den Fischotter, eingeschleppt werden. Deswegen sei es unerlässlich, das Wasser regelmässig zu desinfizieren, auf beste Wasserqualität zu achten und die Fische immer gut im Auge zu behalten, denn «ein guter Züchter merkt dann sofort, wenn etwas nicht stimmt». Ein nicht unwesentliches Problem sind ausserdem Füchse, die sich nur allzu gerne aus den Becken bedienen. Nichtsdestoweniger schwimmen momentan 35–40 Tonnen Fisch in der Anlage. Damit haben die Fische, verglichen mit anderen Zuchten, auch wesentlich mehr Platz zur Verfügung.