Blutampfer, überall Blutampfer! Vielleicht ist Ihnen das noch nicht aufgefallen oder Sie haben dem bisher keine grössere Beachtung geschenkt. Aber besonders in der Gastronomie des eher gehobenen Segments ist er allgegenwärtig; kaum ein kunstvoll arrangiertes Gericht, dem nicht die Ehre zuteil würde, mit einigen Blättern Blutampfer berieselt zu werden. Denn mit seinen auffällig grossen roten Adern, die das Grün der Blattfläche so ästhetisch durchziehen, ist er eben doch wahnsinnig dekorativ.
Seit 1990 produzieren Frederic Amstutz (r.) und Urs Wenger (l.) Mikrokräuter und Sprossen. Einer der Verkaufsschlager von Espro ist der Blutampfer.
«Ja, der ist wirklich extrem gefragt zurzeit», sagt Frederic Amstutz, «da kommen wir mit dem Anbau manchmal kaum hinterher.» Amstutz muss es wissen: Mit seiner Firma Espro im Bernischen Uetendorf ist er landesweit einer der Spezialisten für die Zucht von Sprossen, Keimlingen, essbaren Blumen und sogenannten Micro Leaves – Mikrokräuter– , zu denen auch der allseits beliebte Blutampfer gehört. Was sich rein vom Namen her wie hypertrendiges Superfood anhört, erlebt gerade tatsächlich einen regelrechten Boom, der vor ein, zwei Jahren aus den USA herübergeschwappt ist. Bei näherer Betrachtung handelt es sich bei Micro Leaves aber um nichts, was radikal neu wäre, im Gegenteil: Oder wer würde so etwas Profanes wie Brunnenkresse als Neuheit bezeichnen? Denn darum handelt es sich bei Mikrokräutern im Grunde: Kräuter, Salate und Gemüse, die noch im Keimblattstadium geerntet werden. Bei Espro läuft die Produktion während sieben Tagen in der Woche, bei mehreren Tonnen Ertrag wöchentlich. Abnehmer ist vor allem die gehobene und die Spitzengastronomie.
Die Produktionsanlage in Uetendorf benötigt kein Tageslicht. Micro Leaves wie etwa der Amarant (im Bild) gedeihen dank der Beleuchtung durch Highpower-LED-Lampen prächtig.
Der Vorteil: Je nach Sorte kann zwischen vier Tagen bis hin zu drei Wochen nach der Aussaat bereits die Ernte eingefahren werden. Etwa 30 verschiedene hat Amstutz aktuell im Sortiment; zwar ist seine Firma landesweit sicher nicht der grösste, vermutlich aber der innovativste Micro-Leaves-Produzent. Denn solche Raritäten wie ein winziges Tannenbäumchen, gezogen aus handgelesenen Samen im Emmental, hat sonst niemand im Angebot. Die Innovativität zeigt sich auch bei der Anbaumethode: In Uetendorf dringt kein Tageslicht in die Produktionsanlage, die Wände sind mit Reflektionsfolie aus der Raumfahrt tapeziert, was für ein Maximum an Energieeffizienz sorgt, von der Decke strahlen Highpower-LED-Lampen, Prototypen, welche die verschiedenen Spektralbereiche des Sonnenlichts imitieren können. Doch wozu diese Hightech-Ausstattung? Schliesslich stellt man es sich so einfach vor: Kräuter wachsen doch völlig unkompliziert auf der Fensterbank oder dem Balkon – ein paar Blumentöpfe, Erde oder Substrat und das richtige Saatgut genügen und schon gedeihen die Micro Leaves. Nein, das sei eben nicht so einfach, sagt Frederic Amstutz und erklärt es anhand eines Beispiels: Amarant wächst normalerweise in Südamerika. Dort herrschen jedoch völlig andere klimatische Bedingungen und – besonders wichtig – eine komplett andere Sonneneinstrahlung als hier in Mitteleuropa. Und hier kommen nun die Spektrallampen ins Spiel, denn sie sind in der Lage, die dortigen Lichtverhältnisse perfekt zu imitieren. «Das garantiert letzten Endes einen intensiven, authentischen Geschmack», so Amstutz. Denn die winzigen Blätter sind natürlich weitaus mehr als bloss reine Dekoration.
Hier sind die Wände mit NASA-Folie tapeziert.
Gerade weil die Pflanzen im frühen Wachstumsstadium besonders viele Vitamine und Mineralstoffe entwickeln, sind sie äusserst gesund und aromatisch. Der leuchtend violette Amarant schmeckt etwa ausgesprochen erfrischend; der aus dem Mittelmeerraum stammende Borretsch verfügt über einen sehr intensiven Geschmack nach Gurken oder Austern und passt dadurch herrlich zu Meeresfrüchten, geräuchertem Fisch oder zu einem Tatar. Für Fischgerichte, aber auch für Desserts eignet sich die Pastisminze mit ihrem wunderbar frischen Anisgeschmack. Und was ist mit dem Blutampfer? Der hat eine angenehm saure Note, ist aber milder im Geschmack als der Sauerampfer. Das peppt so manchen Salat auf – und zwar nicht nur als Deko.