Dieser Reisebericht ist auch als PDF «Toulouse» und als digitaler Beitrag zum Blättern verfügbar:
Ist von einem Städtetrip nach Frankreich die Rede, denken die meisten vermutlich sofort an Paris, Strassburg, Lyon oder Nizza – aber Toulouse? Toulouse geht da meistens vergessen, was eigentlich erstaunlich ist, denn die Hauptstadt der Region Okzitanien ist mit nur einer Stunde Flugzeit sehr schnell zu erreichen und erstaunt ihre Besucher mit einer einzigartigen Mischung aus südländischem Savoir-vivre, beispielloser Architektur und dem jugendlichen Esprit einer quirligen Studentenmetropole.
Die «Ville rose», die rosafarbene Stadt, verdankt ihren Beinamen den im Grossteil der Altstadt verwendeten Backsteinen, den seit Jahrhunderten für die Region bedeutsamen «Briques foraines», welche die Fassaden in ein warmes Licht tauchen, von sanftem Rosa bis hin zu leuchtendem Orange. In seiner über zweitausendjährigen Geschichte wurde Toulouse belagert, gestürmt, in Brand gesetzt, erobert und wieder befreit; es war Sitz des Königreichs der Westgoten, Katharersiedlung, Verkehrsknotenpunkt für den Handel mit Färberwaid, Wiege der Luftpost, Hauptstadt der Luft- und Raumfahrt ... und ist gerade wegen dieses unglaublichen Facettenreichtums jede Reise wert. Selbstverständlich ist Toulouse auch in kulinarischer Hinsicht ein mehr als lohnenswertes Reiseziel, denn dank seiner zentralen Lage in Okzitanien findet man hier die besten Delikatessen, welche die Regionen Midi-Pyrénées und Languedoc-Roussillon zu bieten haben: Bestes Fleisch vom schwarzen Schwein aus den Pyrenäen, Ente in allen nur möglichen Variationen und natürlich die lokalen Spezialitäten, auf welche «les Toulousains» besonders stolz sind – das Cassoulet und die berühmte Bratwurst. Das Mittelmeer ist kaum 150 km entfernt und Spanien weniger als 100 km, kein Wunder also, dass sich die Stadt auch in einer ausgiebigen Tapas-Tour erkunden lässt.
Eine persönliche, daher rein subjektive Auswahl:
1 SCHLEMMEND DURCH DIE GROSSE MARKTHALLE
Die Markthalle Victor Hugo polarisiert zwar durch ihre wuchtige, moderne Architektur, doch bei einer Sache ist man sich einig: Zum Schlemmen, Degustieren, Einkehren und Einkaufen gibt es keinen schöneren Ort in Toulouse.
2 AUF EINEN QUINQUINA BEI «PÈRE LOUIS»
Noch nie vom hier so populären Aperitif Quinquina gehört? Kein Problem, in der Traditionskneipe «Au Père Louis» kann man die Spezialität in fantastischem Ambiente verkosten.
3 SCHLENDERN ENTLANG DER GARONNE
Ein Spaziergang entlang der drei Brücken Pont Saint-Michel, Pont Neuf und Pont Saint-Pierre offenbart das andere, fast meditative Gesicht dieser sonst so quirligen Stadt.
Rathaus an der Place du Capitole
Mit dem Flugzeug erreicht man Toulouse ab Genf oder Basel in etwas mehr als einer Stunde. Mit dem Auto wäre man über 8 Stunden unterwegs; mit dem Zug dauert es noch länger und ist mit häufigem Umsteigen verbunden.
Das kleine, sehr geschmackvoll eingerichtete Boutique-Hotel «Hotel des Beaux Arts» (www.hoteldesbeauxarts.com) liegt nur einen Steinwurf entfernt von Garonne und Pont Neuf. Perfekt gelegen, um von hier aus die Stadt zu Fuss zu erkunden.
Toulouser Terroir
Saucisse, Canard & Cassoulet – die Region um Toulouse ist in ganz Frankreich für ihre eher deftigen Spezialitäten bekannt. Wer in die schier unermessliche Vielfalt an Köstlichkeiten, die der Südwesten zu bieten hat, eintauchen möchte, sollte das unbedingt auf dem «Marché Victor Hugo» tun. Denn nirgendwo sonst ist Toulouse verführerischer!
Rеize, Reize, nichts als Reize! Diesen Markt zu betreten, das heisst, seine Sinne aufs Schönste zu überfordern, denn hier gibt es so gut wie alles und davon nur das Beste. Frisches Obst und Gemüse, Ente, Wurst, Käse, Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, eine gute Flasche Wein! Die sonnenverwöhnte Region um Toulouse seht für ein unvergleichliches Terroir, welches ein schier unerschöpfliches Füllhorn an Spezialitäten ausschüttet – und wer sich dessen vergewissern will, sollte unbedingt eine Expedition in das Schlaraffenlabyrinth des «Marché Victor Hugo» unternehmen. Im Dickicht der Stände, wo Geselligkeit, Genuss und okzitanische Lebenslust mit Geschichte, Kultur und Innovation zu einer einzigartigen Atmosphäre verschmelzen; in diesem Mikrokosmos der Stadt, diesem echten Ort des Lebens, treffen sich alle Generationen, Alteingesessene, Studenten und Touristen. Und ja, es ist ein einziges grosses Vergnügen, durch die Gänge des Marktes zu schlendern, von Stand zu Stand (über 80 sind es), einzutauchen in die jodhaltigen Düfte des Meeres, die Farben der Früchte und des Gemüses, den Geschmack von Käse, Wurstwaren, Brot oder regionalen Spezialitäten. Vielleicht will man nur etwas Simples für das Abendessen besorgen, doch ehe man sich versieht, lässt man sich beim Metzger von einer Côte de bœuf oder einem Karree vom Bigorre-Schwein verführen und für die Vorspeise vielleicht noch eine getrocknete geräucherte Entenbrust und ein paar frische Austern aus Arcachon ? «Bonjour Pierre, comment ça va ? C'est l'heure de prendre un verre ?» Aber natürlich! Hier lädt eine Vielzahl an Bars zum Apéro, im ersten Stock öffnen am Mittag die Marktrestaurants ihre Tore.
Aber auch draussen vor der Halle: etwa beim «Maison Samaran» – spezialisiert auf alles, was auch nur irgendwie mit Enten zu tun hat – welches neben seinem riesigen Stand im Markt auch eine Rotisserie betreibt. Reserviert wird hier meistens nicht, man setzt sich einfach an einen der langen Holztische und lässt es sich bei einer saftigen Keule «Confit de Canard», butterzart im eigenen Fett geschmort und dann gebraten, mit in Entenfett frittierten Pommes und einem Glas des Hausweins gutgehen. Für eine andere Spezialität der Stadt geht man am besten zum «Maison Garcia», denn hier versteht man sich auf die legendäre «Saucisse de Toulouse», die berühmteste Bratwurst Frankreichs. Diese wurde so oft nachgeahmt und damit leider zumeist verfälscht, dass man 2001 beschloss, die Bezeichnung zu schützen, indem man das Gütesiegel «véritable Saucisse de Toulouse» ins Leben rief. Um dieses zu erhalten, muss man sich akribisch genau an ein Pflichtenheft halten: kein Knoblauch, keine Zwiebeln, Gewürze oder gar Käse! Nein, man benötigt Fleisch von Freilandschweinen aus dem Südwesten Frankreichs, mit Schulter, magerem Schinken zu 75% und Fett zu 25%, lediglich gewürzt mit Salz und Pfeffer. Das Ganze wird am Meter in einen Naturdarm gefüllt, das ist alles! Auch bei der Zubereitung ist der puristische Weg meistens der beste, denn es gibt kaum etwas Schöneres als eine «véritable Saucisse de Toulouse», leicht würzig und rauchig, brutzelnd frisch vom Holzkohlegrill.
Doch auch bei einem anderen Heiligtum der Toulouser Gastronomie spielt diese Wurst eine tragende Rolle – beim Cassoulet. Ja, Cassoulet, dieser sagenumwobene Eintopf aus dem gebrannten Tontopf, eine wuchtige Mahlzeit, von der sich eine Bauernfamilie einst bis zu fünf Tage lang ernähren konnte. Im französischen Südwesten tobt ein ewiger Streit darüber, wer sich nun als wirklicher Ursprungsort des Cassoulets bezeichnen darf, Carcassonne, Castelnaudary oder eben Toulouse. Selbstverständlich steht es für die Toulousains ausser Frage, dass ihre Variante mit Saucisse de Toulouse, Entenconfit, Schweine- und manchmal auch mit Lammfleisch die einzig wahre sei. Allerdings sieht man das in Carcassonne und Castel-nau-dary nicht anders und es gibt unzählige Rezepte und Varianten, die einen alleinigen Anspruch auf Authentizität geltend machen wollen. Um Schichtung und Diplomatie bemüht, versuchte die «Académie du Cassoulet» diesen dogmatisch geführten Deutungsstreit mit einem scholastischen Kunstgriff zu zerstreuen, indem sie den Zwist kurzum als Heilige Dreifaltigkeit des Cassoulets interpretierte: Castelnaudary der Vater, Carcassonne der Sohn und Toulouse der Heilige Geist. Wie bei Glaubenskriegen so üblich, hat das zwar nichts genützt und ist gar nicht einmal so wichtig, lässt sich das doch alles auf ein heiliges Prinzip herunterdeduzieren: Am Anfang steht ein mit Schweinespeck eingefetteter Topf, in den Zwiebeln, Tomaten, Karotten und eingeweichte weisse Bohnen, Kräuter, Knoblauch und Gewürze kommen – und natürlich jede Menge Fleisch. Auf ein langes Köcheln folgt das Nachgaren im Ofen und das finale Überbacken für die unerlässliche Kruste. Und wo gibt es denn nun das beste Cassoulet von Toulouse? Da gibt es so viele Meinungen, wie es Gourmets gibt. Doch egal, wen man fragt oder wo man recherchiert, das Restaurant «Émile» an der Place Sainte Georges, etwa 600 Meter von der Markthalle entfernt, wird eigentlich immer mitgenannt. Gesagt, getan. Und wenn dann die glühend heisse Kasserolle, fast eruptiv brodelnd, aufgetischt wird, entschwindet jegliche Herkunftsdiskussion in weite Ferne und es geht nur noch um die Gabel, die den Widerstand der Kruste bricht und in einem Schwall heissen Dampfes eine köstliche Melange aus Bohnen und zartem Fleisch freilegt – ein geradezu sinnlicher Akt.
MARCHÉ VICTOR HUGO
Pflichtbesuch für Gourmets: Der «Bauch von Toulouse» bietet Köstlichkeiten in Hülle und Fülle.
www.marche-victor-hugo.fr
ÉMILE
Eine der besten Adressen der Stadt, um ein richtiges Cassoulet zu geniessen.
www.restaurant-emile.com
Auf ein Glas oder zwei ...
Toulouse gilt als äusserst ausgehfreudige Stadt: Entsprechend gerne trifft man sich zum Aperitif, zieht durch die Weinbars oder geht auf Tapastour.
Man merkt es gleich: Diese Stadt ist jung, dynamisch und es ist immer etwas los. Nicht umsonst gilt Toulouse als eine der feierfreudigsten Metropolen des Landes – und die Gründe dafür liegen auf der Hand: Einerseits leben hier mehr als 100 000 Studierende, die aus Toulouse eine sehr junge und lebenslustige Stadt machen – und die nach Paris zweitgrößte Universitätsstadt Frankreichs. Andererseits ist da die jederzeit spürbare Nähe zu Spanien, welche den Tagesrhythmus in die Nacht hinein verlängert und die Vorliebe der «Toulousains» für ausgedehnte Touren durch die Tapas- und Weinbars erklärt. Natürlich wird da nicht einfach 1:1 das iberische Konzept übernommen, denn der französische Südwesten bietet Delikates in Hülle und Fülle, um jeweils ganz eigene Häppchen zu kreieren. Und wo startet man nun so eine Tour? Am besten trifft man sich im unbestrittenen Zentrum der Stadt, der «Place du Capitole» mit ihrem ikonischen Rathaus und den prächtigen Fassaden, die nach dem Eindunkeln in effektvollem Scheinwerferglanz erstrahlen.
Und nun? Die Auswahl ist eigentlich kaum zu überblicken, daher hier eine rein subjektive Auslese: Immer eine gute Idee ist ein Abstecher in die «Le 5 Wine Bar», nicht irgendein Lokal, sondern dreimal in Folge zur besten Weinbar der Welt gekürt. Das liegt auch am wirklich grossartigen Konzept: Die «Bar» ist eine gläserne Vitrine mit Dutzenden von Weinen, wo man sich an einer Selbstbedienungs-Weinstrasse gleich selber bedienen kann. Jeder Gast erhält eine eigene Karte; wenn man einen Wein probieren möchte, steckt man diese bei der entsprechenden Flasche in eine Öffnung und wählt die Menge; vom winzigen Probierschluck bis zum grossen Glas – abgerechnet wird dann am Schluss. Die Auswahl reicht von internationalen Trouvaillen über berühmte französische Anbaugebiete bis hin zu regionalen Gewächsen. Wer dieses Thema vertiefen möchte, kehrt gut 300 m weiter im «Au Père Louis» ein, 1889 eröffnet und damit eines der ältesten Lokale der Stadt. Und da diese Institution unter Denkmalschutz steht und erst im letzten Jahr nach einer sanften Renovierung wiedereröffnet wurde, fühlt sich das Überschreiten der Türschwelle wie eine Reise in eine andere Zeit an: Auf eine charmante Art düster und verrucht, hohe Decken, dunkles Holz, vergilbte Gemälde, und ein verzinkter Tresen, über den frisch aus dem Fässchen an der Wand Gezapftes gereicht wird – wie eine spanische Taverne im Fin-de-Siècle-Look.
Kurzum: Hätte es Hemingway hierhin verschlagen, wäre er wohl Stammgast geworden. Hausspezialität ist der Quinquina, ein bernsteinfarbener bitter-süsser Likörwein, am ehesten zu vergleichen mit Wermut, nur mit dem Unterschied, dass die Bitterkeit aus Chinarinde statt vom Wermutkraut kommt. Und weil mit einem oder zwei Gläschen Quinquina der Appetit kommt, sollte man bei «Père Louis» unbedingt ein paar Tapas ordern. Wie wäre es mit etwas Gänse-Rillette auf frischem Brot, einer Tranche «Paté en croute», gebackenem Lammbries oder diesen unwiderstehlich knusprigen Steinpilzkroketten? Dazu empfiehlt Sommelier Pierre einen Madiran der Domaine Labranche Laffont, ein würziger, tanninstarker Powerwein, der besser nicht passen könnte.
Weiter zur nächsten Adresse, ins «Le Soulier», einem Hors-d'œuvres-Restaurant. Obwohl es in Toulouse eher üblich ist, von Tapas zu sprechen, beharrt man hier auf dem französischen Terminus. Wo dabei der Unterschied liegt? Im Prinzip läuft es auf dasselbe hinaus: Eine gesellige Mahlzeit, die aus verschiedenen, bunten Tellern zum Teilen besteht. Besonders fair kalkuliert ist dabei die «Formule du Soir»; für gerade einmal 34 Euro kann man vier Gerichte aus der Karte wählen, die Portionen sind grosszügig und die Küche okzitanisch mit internationalen Einflüssen. Nach mit geräuchertem, confiertem Schweinefleisch gefüllten Knusperbällchen, Mini-Burgern mit Lamm, Toulouser Bratwurst und caramelisierten Zwiebeln, Beignets mit Ziegenkäse und Chorizo sowie geschmorten Entenherzen mit Jungspinat, Knoblauch und Haselnüssen (köstlich!) bleibt leider kaum mehr Platz für ein Dessert. Und wer dann sowieso eher zum Digestif tendiert, sollte sich das «Hopscotch» nicht entgehen lassen; in der bestsortierten Whiskybar der Stadt findet man nicht nur jede Menge Raritäten zu schon fast unverschämt anständigen Preisen, sondern auch eine Auswahl an französischen Whiskys, die ihresgleichen sucht. Santé et bonne nuit!
LE 5 WINE BAR
Tolles Selbstbedienungskonzept und eine unvergleichlich grosse Auswahl an Offenweinen.
www.le5winebar.fr
AU PÈRE LOUIS
Eine legendäre, geschichtsträchtige Adresse, perfekt, um die Hausspezialität Quinquina zu probieren.
Adresse: 45 Rue des Tourneurs, 31000 Toulouse
LE SOULIER
Einladendes Tapas-, pardon, Hors-d'œuvres-Restaurant mit tollem Preis-Leistungs-Verhältnis.
www.lesoulier.fr
THE HOPSCOTCH
Gewaltiges Whiskysortiment, plus selbstgebrautes Craftbier und ein schönes Angebot an angelsächsischem Gebräu.
www.hopscotchpub.com
Zurück zu den Wurzeln
Im «Le Cénacle» nimmt der aus Toulouse stammende Koch Clément Convard seine Gäste mit auf eine kulinarische Reise zu seinen Ursprüngen im Südwesten.
Dieses Restaurant ist von einer seltenen Eleganz: Gleich beim Betreten des Gastraums wähnt man sich in einem Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert, ein riesiger Raum von fünf Metern Höhe, mächtiges Deckengebälk, eine imposante Caravaggio-Reproduktion und ein monumentaler Steinkamin, der den ganzen Raum dominiert. Einschüchternd? Keineswegs! Das Restaurant «Le Cénacle», das zum «La Cour des Consuls Hôtel & Spa» gehört, strahlt auf Anhieb eine gemütliche Wärme aus und man lässt sich mit Vergnügen an einem der wenigen Tische nieder. Der junge Küchenchef Clément Convard ist in Toulouse geboren und hat sein Handwerk bei Sterneköchen wie Gilles Goujon und Marc Veyrat erlernt, ehe es ihn in die weite Welt bis in die Karibik verschlug. Doch als sich ihm die Gelegenheit bot, zu seinen Wurzeln zurückzukehren, tat er dies nicht nur geografisch, sondern auch kulinarisch: Convard ist stolz auf seine langjährigen Partnerschaften mit lokalen Erzeugern und erkocht sich bevorzugt ein elegantes Gleichgewicht zwischen regionalen Produkten, französischer Klassik, zeitgenössischen Noten und internationalen Einflüssen – doch in erster Linie dreht sich alles um das Produkt.
Etwa die Auster aus der Ausnahmezucht von Florent Tarbouriech, welche der Chef als geräuchertes Tatar zubereitet, mit Haselnüssen und dem gezupften Fleisch von 10 Stunden geschmortem Ochsenschwanz kombiniert und mit einer leichten Creme auf der Basis von Haselnusslikör verfeinert. Da passt wirklich alles zusammen! Selbiges gilt denn auch für die Langoustine, zurückhaltend angebraten, dazu das Innere des Kopfes mit Armagnac zu einer Creme aufgeschlagen; alles zusammen aufgegossen mit einem Kräuterelixier, das mit kandiertem Ingwer abgeschmeckt wurde. Und dass bei guten Produkten weniger oft mehr ist, demonstriert Clément Convard eindrücklich anhand einer Jakobsmuschel aus der Somme-Bucht: Lediglich in etwas Hummerbutter angebraten, dazu Selleriepüree und Sellerie-Millefeuille, c`est tout! Auf einen grossartigen Fleischgang, Filet von der Wildente aus Sabournac, in perfektem Arrangement mit Helianthus, also Sonnenwurzel, einem wilden Verwandten des Topinambur, würzig, fein und nussig, als Püree und Ragout mit grünem Pfeffer – folgt ein verblüffendes Gemüsedessert: eine Art Tiramisu aus Sellerie und Kaffee: mit Kaffee getränkter Biskuit, bedeckt mit fein gehobelten Selleriescheiben, dazu eine delikate Sauce aus Kaffee und Sellerie. Wirklich fantastisch, wie man die Süsse und die Würze aus dem Gemüse mit derjenigen des Kaffees verschmelzen kann – meisterhaft!
LE CÉNACLE
Überraschende Gourmetküche in fantastischer Atmosphäre.
www.cite-hotels.com/fr/etablissements/restaurant-la-cenacle.html
Lokal verwurzelt – weltoffen im Geschmack
In der Gastroszene von Toulouse weht viel frischer Wind – dank Restaurants, in denen man bevorzugt auf regionale Produkte setzt und wo gleichzeitig raffiniert, aufgeschlossen und unkompliziert gekocht wird.
Der Geschmack des Publikums kann durchaus kompliziert sein. Wenn die Sternegastronomie zu gekünstelt, aber die Brasserie von nebenan zu rustikal ist und es bitteschön modern, kosmopolitisch, fair im Preis und nicht frei von Raffinesse sein soll, muss man als Restaurantbetreiber einen ziemlichen Spagat hinlegen. Gut zu wissen, dass es in Toulouse erfreulich viele Lokale gibt, die diesen Ansprüchen bestens gerecht werden. Da sind etwa Nicolas und Morgane mit ihrem «Une table à deux»: Die beiden stammen aus dem Südwesten, haben ihre Erfahrungen in mit Sternen ausgezeichneten Häusern in der Region Toulouse gesammelt und nebenbei die Welt bereist. Aus diesem Grund stammt die Inspiration für ihre Gerichte, die stets auf saisonalen Produkten basieren, nicht nur aus der französischen Küche, sondern auch von den Reisen, die Morgane und Nicolas unternommen haben. Das Duo reiste ein Jahr lang durch Malaysia, Indonesien, Thailand, Kambodscha und Südkorea, um seiner Neugierde freien Lauf zu lassen und gleichzeitig seine Version einer weltoffenen Küche zu entwickeln.
Confit vom Schwein im «Molette» sowie Rendang-Variante im «Une table à deux».
Da gibt es etwa exzellent abgeschmeckten Kohlsalat mit Poulet, Sesam und koreanischem Chili oder eine ganz eigene Variante des indonesischen Rendang-Rindercurrys mit Kokosmilch, Zitronengras und Ingwer, welches durch das Hinzufügen von Kohl, Mangold, eingelegten Radieschen und gedämpftem Dinkel anstatt Reis hervorragend einregionalisiert wird. Einen noch regionaleren Ansatz verfolgt man im Restaurant «Molette», das nur wenige Schritte vom Quai de la Daurade entfernt liegt und für eine authentische Küche aus lokalen und saisonalen Produkten steht: Vom Brot bis zum Dessert ist alles hausgemacht; bei den Getränken setzt man ausnahmslos auf lokales Bier und südfranzösischen Wein. Auf den Tisch kommt raffiniertes Comfort-Food wie etwa ein auf den Punkt pochiertes Ei in einer üppig-cremigen Lauch-Velouté mit Croutons, die mit geräuchertem Paprika gewürzt sind. Highlight unter den Hauptgerichten ist das Bergschwein, als Confit im eigenen Fett geschmort, zart wie Seide, intensiv im Geschmack und herrlich gewürzt, mit etwas Piment d`Espelette für eine fruchtige, subtile Schärfe; dazu Petersilienkartoffeln und Jusmehr braucht es nicht.
UNE TABLE À DEUX
Ein toller Mix: Französische Küche trifft auf internationale Einflüsse und Aromen.
www.unetableadeux.fr
MOLETTE
Moderne, aber unkomplizierte Regionalküche mit oft wechselnder Karte.
www.molette-restaurant.fr
Einkaufen
Toulouse lockt mit einer Vielzahl an Adressen für gepflegtes Gourmet-Shopping. Hier eine kleine, aber feine Auswahl:
XAVIER
Keine halben Sachen: Im «Xavier» wirkt einer der besten Käser und Affineure des Landes.
www.xavier.fr
MARCHÉ DES CARMES
Die zweitgrösste Markthalle der Stadt bietet ein reichhaltiges Angebot an regionalen Spezialitäten.
www.marche-des-carmes.fr
MAISON BUSQUETS
Eine Institution seit 1919 und nach wie vor einer der schönsten Weinund Spirituosenkeller der Stadt. Schöne Feinkostauswahl.
www.maisonbusquets.fr
LE PARADIS GOURMET
Gut sortierte épicerie fine mit Fokus auf lokale Spezialitäten wie Cassoulet und Foie gras sowie Gewürze, Weine und Regionalprodukte.
www.leparadisgourmet.fr
LABO & GATO
Süsser Himmel: Hier findet man nun wirklich alles, was auch nur irgendwie mit Desserts und Patisserie zu tun hat.
www.laboetgato.fr
Alleine essen? Klar!
Der Beruf des Reiseredaktors bringt es natürlich mit sich, dass man öfters einmal essen gehen darf. Manchmal erlauben es die Umstände, dies in Begleitung zu tun, doch meistens ist man dabei alleine. Oh, geht das denn? Ist das nicht schlimm? Erstaunlicherweise werde ich das immer wieder mal gefragt. Und meine Antwort lautet stets: Nein, warum sollte das etwas Schlechtes sein? Als ich in Toulouse war, wurde mir das Glück zuteil, im besternten Restaurant «Le Cénacle» ein Menü geniessen zu dürfen. Wer gelegentlich in solchen Lokalen einkehrt, weiss, dass sich ein Mahl oft über eine Zeit von bis zu drei Stunden erstrecken kann. Aber wissen Sie was? Es war mir zu keiner Sekunde langweilig. Ich vergleiche Restaurantbesuche gerne mit einer Art von Theaterstück – es ist zuweilen faszinierend, sich in der Beobachtung der jeweiligen Akteure, seien es andere Gäste oder das Personal, zu verlieren. Ein paar Tische entfernt sass diese ältere Dame, ebenfalls alleine am Tisch. Es war das reinste Vergnügen, Zeuge zu sein, mit welcher Hingabe, mit welchem Genuss, mit welcher augenscheinlichen Ehrerbietung sie dem Essen und denjenigen, welche es zubereitet hatten, begegnete. Eigentlich leuchtet es doch ein: Wer eine kulinarische Erfahrung derart auskosten kann, braucht dazu nicht zwingend eine Begleitung. Merkwürdigerweise habe ich nur in der Schweiz und in Deutschland das Gefühl, mich für dieses Alleinsein rechtfertigen zu müssen. In Frankreich, Italien oder Spanien kein einziges Mal. Woran das wohl liegt? Vielleicht, weil man bei uns viel zu selten nur wegen des Essens in ein Restaurant geht? Was denken Sie?
Ein Schnappschuss
Das Restaurant, eine Bühne des subtilen Spektakels: Wer unter diesen Gesichtspunkten essen geht, braucht das Alleinsein nicht zu fürchten.