Wie sich unser Reiseredaktor Nicolas Bollinger in den Norden verliebt hat.
Diese Liebe kam spät, aber dafür umso heftiger. Es war im Dezember 2017, als ich erstmals skandinavischen Boden betrat. Der Norden war für mich bisher Terra incognita – unbekanntes Terrain, von Schottland (welches ich schon immer grossartig fand) einmal abgesehen. Dementsprechend hatte auch ich meine Klischeevorstellungen: Blockhütten, Wälder, Saunas, Millionen von Mücken im Sommer und jede Menge Aquavit wegen der ewigen Dunkelheit im Winter. Und zu essen gibt es ausser Fisch nicht viel Gescheites. Gut, ok, dieses Vorurteil ist eigentlich schon längst Geschichte, seit sich die neue nordische Küche an die Spitze der gastronomischen Welt katapultiert hat. Aber zurück zum Anfang: Ich war kaum eine Stunde in Stockholm und ich fühlte mich auf Anhieb pudelwohl, es war fast so, als würde ich in ein gemütliches Zuhause heimkehren. Diese Stimmung, die Atmosphäre, die Herzlichkeit der Menschen, das Essen (!) – das musste wohl dieses «Hygge» sein! Seither hat mich der Norden nicht mehr losgelassen. Schweden, Dänemark, Island, Litauen ... ich liebe es. Doch meine To-do-Liste ist noch lang – sehr lang ...
Diese einzigartige, raue Vulkaninsel ist zu jeder Jahreszeit von gewaltiger Schönheit – am Ende des Sommers aber noch ein bisschen mehr.
Diese Insel hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Island ist mit nichts zu vergleichen. Island ist anders. Die Landschaft wandelt sich unablässig. Auf der grössten Vulkaninsel der Welt ist alles in Bewegung; aus der Erde spritzt kochend heisses Wasser oder geschmolzenes Gestein, zischender Dampf tritt aus Hügelflanken, mächtige Flüsse und Wasserfälle speisen sich aus gewaltigen Gletschern ... Bisher kenne ich Island nur im Winter, wenn die Natur mit ihren unermesslichen sturmgepeitschten Schneewüsten eine abgründige Faszination ausstrahlt. Wie aber muss es sein, wenn die Insel als ein einziges Farbenmeer erstrahlt, die Sonne kaum mehr untergeht und sogar der hinterste Winkel des Hochlands zugänglich wird?!
Wild, abgeschieden und atemberaubend: Auf den Färöer Inseln findet man nicht nur eine überwältigende Naturkulisse und jede Menge Schafe, sondern auch eines der besten Restaurants der Welt.
Ans Ende der Welt: Technisch gesehen gehören die Färöer Inseln zu Dänemark, aber eigentlich sind sie weitab von allem. Wer hier hinaus reist, der sucht die Einsamkeit. 18 Inseln, zehntausende Schafe und das Meer ist an keinem Punkt mehr als fünf Kilometer entfernt. Eine Kulisse wie nirgendwo sonst in Skandinavien. Schwindelerregende, von Papageientauchern bevölkerte Steilküsten wechseln sich ab mit Wasserfällen, Schluchten, Bergen, sattem Grün und sturmgepeitschten Klippen. Diese Szenerie ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb ich unbedingt dorthin möchte: Denn für nicht wenige ist der Hauptgrund für ihren Besuch auf den Färöern wahrscheinlich das Essen im Restaurant Koks.
Man glaubt es kaum: Versteckt in diesem unberührten Naturparadies befindet sich ein mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnetes Restaurant, das von Poul Andrias Ziska geleitet wird. Als Chefkoch des Koks beherrscht er wie kein Zweiter die Kunst, den Geschmack und Geruch aus der färöischen Landschaft zu destillieren und in herausragenden Gerichten zu kombinieren. Radikal lokal und kompromisslos färöisch erforscht die junge Avantgarde die alten Praktiken des Trocknens, Fermentierens, Salzens und Räucherns – und ist gerade wegen dieses Purismus gnadenlos modern. Kurzum: Allein das abgelegenste Gourmetrestaurant der Welt ist eine Reise hierher wert. Der Rest allerdings auch. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten!
Wie aus dem Bilderbuch: SüdschwedenDa ist nun wirklich alles dabei: Pulsierende Städte wie Stockholm und Göteborg, malerische Städtchen und Strände an der Schwedischen Riviera sowie eine grossartige naturnahe Küche.
An Stockholm denke ich immer mit einer besonderen Sehnsucht zurück: Hier habe ich den Norden, seine Landschaften, seine Menschen, die Mentalität und natürlich die Küche so richtig lieben gelernt. Es ist dieses ganz besondere Flair, das diese Metropole ausmacht: diese schwimmende, auf 14 Inseln liegende Stadt, in der das Wasser nie weit weg ist, dieser einzigartige Mix aus engen Gassen, alten Kirchen, ehrwürdigen Kaufmannshäusern, hohen Speichern und beeindruckenden Adelspalästen – und teils bunten, teils postindustriellen Künstlervierteln, wo sich die aufstrebende Boheme trifft. Und natürlich die phänomenale Gastronomie! Wo soll man da anfangen? Etwa beim Über-Restaurant «Frantzén», wo Gourmets aus aller Welt bereits Monate im Voraus um die heissbegehrten Plätze wetteifern, oder bei herausragenden Vertretern der neuen nordischen Küche wie Jacob Holmström und Anton Bjuhr («Gastrologik») oder natürlich Niklas Ekstedt, der in seinem Restaurant ausschliesslich mit offenem Feuer kocht, brät, backt und räuchert – so, als wäre man draussen in der Natur. Die Natur ist auch in einer Grossstadt wie Stockholm immer vor der Haustür: Wer ein paar Minuten hinausfährt, findet sich plötzlich im Schärengarten wieder, einem unermesslichen Mosaik aus Wasser, kleinen Inseln und unendlich scheinenden Wäldern.
Doch auch dort sind Gourmet-Erlebnisse nicht fern: Bei der Aktion «Ein Land wird Restaurant» wurde zusammen mit vier schwedischen Sterneköchen (darunter Niklas Ekstedt und die Jungs von «Gastrologik») ein Menü zum Selberkochen entwickelt. Die Gerichte bestehen aus Zutaten, die man in Wäldern, Seen und auf Feldern findet, wo man sich dank des «Jedermannsrechts» einfach bedienen kann. Auch hier gilt: Früh reservieren, denn die Plätze sind begehrt. Zahlreiche dieser buchbaren Tische liegen verstreut in den Wäldern an der schwedischen «Riviera», der Westküste mit ihren romantischen Buchten und pittoresken Häusern. Sich treiben lassen durch idyllische Landschaften und Orte, welche nicht zufällig als Kulisse für zahlreiche Romantikfilme der Serie «Inga Lindström» gedient haben. Und irgendwann wird es wieder urbaner und Göteborg lockt mit seiner entspannten Atmosphäre, seiner traumhaften Lage und tollen Restaurants, wo erstklassige Meeresfrüchte serviert werden.
Hallo Einsamkeit, hallo Idylle! Der Traum vom eigenen (Block-) Haus gehört hier zur ganz alltäglichen Realität.
Ferientechnisch gesehen ist dies der Inbegriff eines skandinavischen Klischees: ein Blockhaus am See, ein Ruderboot am Ufer, ein gemütliches Feuer im Kamin und natürlich eine eigene Sauna. In der finnischen Seenplatte, mit weit über 100000 km² Fläche die grösste in Europa, gehört das mehr oder weniger zum Standardprogramm. Diese fast surreal schöne Landschaft: Ein blaues Labyrinth aus Seen, Inseln, Flüssen und Kanälen, durchzogen von üppig grünen Wäldern und Hügelrücken, die sich über Hunderte von Kilometern über atemberaubend schöne Ebenen erstrecken. Mittlerweile kann ich es gerne zugeben: Auch ich mag mich nicht immer nonstop durch das Gewusel überbevölkerter Metropolen kämpfen, vielleicht liegt es auch daran, dass ich als Familienvater jede Sekunde mit meinen Liebsten geniesse. Jedenfalls stelle ich mir Familienferien in Finnland als eine traumhafte Erfahrung vor: vor der Haustüre einen eigenen Zugang zum See, hinter dem Blockhaus Beeren sammeln, durch die Wälder streifen, baden in einem der Tausenden von Seen, selber kochen, zusammen geniessen und die Batterien aufladen – gut, dass die Sonne im Sommer kaum untergeht! 24 Stunden lang hell, das mag für manche befremdlich klingen, ich sehe da eher ein Meer an Möglichkeiten, denn Müdigkeit kommt da so schnell nicht auf! Wie wäre es mit einem Mitternachtsbad im See oder mit einem guten Buch auf der Blockhausterrasse – und dies ohne künstliches Licht? Oder mit einer Kanufahrt? Grillieren, saunieren, revitalisieren ... eigentlich egal, was man macht, langweilig wird es einem vermutlich nie. Dafür ist es einfach zu idyllisch.
Die wilde Natur der Lofoten ist zu jeder Jahreszeit atemberaubend. Richtig zauberhaft wird es im Winter, wenn sich das Nordlicht über die Inseln legt.
Nun gut, eine Nordlicht-Garantie gibt es natürlich nie. Allerdings liegen die Lofoten knapp unterhalb des Polarlichtovals, einem Lichtergürtel, der die geomagnetischen Pole umkreist. Hier stehen die Chancen, das Nordlicht zu entdecken, tatsächlich besonders gut. Aber auch, wenn es nicht klappt, ist eine Reise zu dieser aussergewöhnlichen Inselgruppe ein Erlebnis. Hier dreht sich wirklich alles um Fisch! Aus gutem Grund: Einmal im Jahr wandert der «Skrei», der arktische Winterkabeljau, zum Laichen in die Region.
Deshalb ist der Skrei mit ein Grund, warum sich so weit im Norden überhaupt Menschen angesiedelt haben. Getrocknet als Stockfisch war er bereits während der Wikingerzeit ein wertvolles Gut. Auch heute noch prägen pittoreske Fischerdörfchen das Erscheinungsbild der Lofoten – ins Auge stechen dabei die traditionellen rot angestrichenen Fischerhütten, «Rorbu» genannt. Inzwischen ist die Idee, in einer Fischerhütte auf den Lofoten zu übernachten, für viele Reisende der Inbegriff von typisch nordischer Glückseligkeit geworden; ich kann das sehr gut verstehen: Ein Hauch von Insulanerdasein auf Skandinavisch, vor die Tür treten, den Blick schweifen lassen auf spitze, schneebedeckte Gipfel, die steil aus dem Atlantik ragen, und mit etwas Glück – auf das Nordlicht.
Holmenkollen, Königsschloss und architektonische Avantgarde: In Oslo treffen sich Tradition und Moderne. Ausserdem hat die norwegische Hauptstadt eine ausserordentlich kreative Gastroszene.
Langsam, aber sicher sollte das Warten nun ein Ende haben. Oslo steht schon seit ein paar Jahren auf meiner kulinarischen Bucket List, doch weil die Stadt jahrelang eine einzige Grossbaustelle war, erschien eine Reise wenig attraktiv. Mittlerweile erstrahlt die norwegische Kapitale in ihrem neugewonnenen Modernismus, doch dann kam Corona. Da nun endlich so etwas wie Licht am Ende des Tunnels aufflackert, hege ich wieder die Hoffnung, endlich durch Oslo streifen zu können! Wieso? Ob neue Stadtviertel, ein innovatives Lebensmittelangebot oder vielfältige Mode- und Kunstszenen – als eine der am schnellsten wachsenden Städte Europas vibriert Oslo geradezu vor Dynamik. Das futuristische Opernhaus, das Astrup Fearnley Museum und die einem Strichcode ähnelnde Skyline verleihen der City eine fast magnetische Anziehungskraft. Die Nähe zur Natur ist zusätzlich attraktiv und schlägt sich auch in der enorm kreativen Gastroszene nieder. Es ist kein Zufall, dass sich das «Maaemo», das erste Restaurant in Skandinavien, das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde, in Oslo befindet. Wo Naturnähe auf permanenten Fortschritt trifft, entsteht eine einzigartige Küche: Warum mit Zitronensaft würzen, wenn man Ameisen nehmen kann?! Restaurants mit aufregenden Konzepten werden hier am Laufmeter eröffnet – höchste Zeit also, sich durchzuessen!
Pendeln zwischen dem Baltikum und Skandinavien – die Fähre macht's möglich.
Eigentlich spielt es keine Rolle, wo man beginnt, dieses Doppelpack ist eine faszinierende Reiseerfahrung. Etwa die estnische Hauptstadt: Tallinn strahlt etwas Unwirkliches aus, eine fast märchenhafte Schönheit, beinahe zu perfekt! Die mittelalterliche Altstadt (selbstredend UNESCO-Weltkulturerbe) gehört tatsächlich zu den am besten erhaltenen überhaupt. Darüber hinaus bietet die Stadt eine aufregende Mischung aus Alt und Neu. Und das ist das Tolle: Da Tallinn so kompakt und grün ist, lässt sich in nur kurzer Zeit viel unternehmen und praktisch alles zu Fuss entdecken. Noch toller: Die Möglichkeit, am Hafen eine Fähre zu besteigen und ca. zwei Stunden später finnischen Boden zu betreten! In Helsinki zeigt sich dann ein ganz anderes Bild, hier wird der über 100 Jahre dauernde russische Einfluss gut spürbar. Doch in der finnischen Hauptstadt brodelt es, besonders was Kultur und Gastronomie angeht. Gleich am Hafen lockt die Markthalle, die gleichzeitig ein wahres Streetfood-Paradies ist. Zudem sind viele aufstrebende Chefköche von der Experimentierlust gepackt und erforschen aktiv, wie eine genuin finnische moderne Küche aussehen kann. Helsinki war noch nie so spannend für neugierige Gourmets!
Eine Landschaft für Poeten! Die Inselwelt der Hebriden ist vielfältig, wildromantisch und überladen mit Geschichte. Und die nächste Whiskybrennerei ist auch nie weit weg.
Reden wir nicht lange drumherum: Wer die Hebriden ansteuert, sollte sich Zeit nehmen, denn idealerweise ist man mit dem Auto unterwegs (ohne geht es eigentlich nicht) und kurvt zuerst durch die Highlands. Bei Fort William, im Schatten des majestätischen Ben Nevis auf die A830, die «Road to the Isles», eine mit Highlights nur so zugepflasterte Panoramastrasse, die unter anderem am Glenfinnan Viaduct (ja, die Brücke aus Harry Potter) vorbeiführt und in Mallaig endet, wo man bequem mit der Fähre auf die Isle of Skye übersetzen kann. Skye selbst bietet dann Schottland wie aus dem Bilderbuch: wildromantische Einsamkeit, raues Klima, zerklüftete, fast bizarr anmutende Felsen und Berge, sprich, eine Landschaft wie ein Gemälde. Sehnsuchtsvoll denke ich zurück an den Hafen von Portree mit seinen bunt angestrichenen Häusern, an das lokale Pub, wo jeden Abend Folk Music gespielt wurde und dazu natürlich ein Glas Talisker aus der lokalen Brennerei. Gut, für viele Single-Malt-Liebhaber wie mich liegt das gelobte Land jedoch nicht auf Skye, sondern etwas weiter südlich auf einer anderen Hebrideninsel, der Isle of Islay, wo man die torfigsten, rauchigsten, salzigsten (und für mich besten) Whiskies überhaupt findet. Obwohl Islay nur etwa 40 km lang und 32 km breit ist, gibt es dort neun aktive Brennereien: Caol Ila, Ardbeg, Bruichladdich, Lagavulin, Laphroaig ... da lässt man sich nicht nur die Namen auf der Zunge zergehen. Und dann nach einem harten Degustationstag vor dem nasskalten Wetter fliehen, ans gemütlich prasselnde Kaminfeuer des Port Charlotte Hotels, wo es hervorragende Meeresfrüchte und frisch geschossene Wildente gibt – was könnte schöner sein? Vielleicht noch ein Glas Scotch an der hervorragend bestückten Bar; Slàinte mhath!
Spektakuläre Landschaften, ein Mekka für Geniesser und ein einzigartiges Unterwasser-Restaurant: Südnorwegen platzt nur so vor Attraktionen!
Ich kann mir einfach nicht helfen: Norwegen zieht mich irgendwie magisch an! Um so mehr wurmt es mich, es immer noch nicht dorthin geschafft zu haben. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Zu meinem Pflichtprogramm würde auf jeden Fall ein Besuch in Stavanger gehören. Und das aus einer ganzen Reihe von Gründen: Selbstverständlich wegen der Landschaft, denn die ist wie so oft in Norwegen nicht weniger als spektakulär! Der markante Lysefjord , wo die Berge nicht selten bis zu 1000 Meter aus dem Ozean ragen. Zum Preikestolen, einer natürlich geformten Felsenplattform, über 600 Meter über dem Fjord, wo eine überwältigende Aussicht wartet. Stavanger selber ist nicht allzu gross, sehr überschaubar, doch bietet es enorm viel auf engstem Raum. Das Stadtzentrum ist zwar klein, aber dafür sehr urban und lebendig. Überall gibt es Strassenkunst zu bewundern, und an jeder Ecke tauchen neue Hipsterbars, Cafés und Restaurants auf. Kein Wunder, schliesslich ist alles, was man zum Kochen benötigt, höchstens eine halbe Stunde entfernt: Fisch und Meeresfrüchte, Gemüse, Wild, Pilze und das vielleicht beste Lammfleisch des Landes. Am Fischmarkt hüpfen die besten Meeresfrüchte mehr oder weniger aus dem Meer auf den Teller. Lust auf «noch Meer»? Im Süden, etwa drei Autostunden von Stavanger entfernt, liegt der kleine Küstenort Lindesnes, Heimat des Restaurants «Under». Wie ein abgestürztes Raumschiff liegt es versunken in den eisigen Gewässern des Atlantiks und lädt fünf Meter unter der Oberfläche zum Essen ein. Der Panoramablick auf den Meeresboden ist einzigartig!
Das Stadtzentrum ist zwar klein, aber dafür sehr urban und lebendig. Überall gibt es Strassenkunst und an jeder Ecke tauchen neue Hipsterbars, Cafés und Restaurants auf.
Dazu serviert Chefkoch Nicolai Ellitsgaard ein Menü direkt aus dem Meer: «Gleich auf der anderen Seite unseres ikonischen Fensters platzt der Ozean vor frischen Köstlichkeiten, sodass der Weg von der Küche zum Teller minimal ist», so Ellitsgaard. Neben Fisch und Meeresfrüchten landen auch spannende Zutaten wie Seepfeilgras, Seerucola und salziger Meerkohl auf dem Teller. Eine Welt, in die ich nur zu gerne eintauchen möchte!
Lettland und das Baltikum sind in den letzten Jahren zu einer der spannendsten Food-Destinationen überhaupt geworden.
Ins Baltikum müsste ich auch mal wieder, denn es ist und bleibt eine wahre Wundertüte. Vor allem kulinarisch. Klar, für den ferientechnisch eher mediterran orientierten Mitteleuropäer liegt diese Gegend nicht selten gleich fern oder nah wie St. Petersburg oder die sibirische Tundra. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs stimmte das in gewisser Weise auch. Wer deshalb aber denkt, dass die lokale Küche nur mit postsowjetischer Tristesse à la Kartoffeln, Kohl und Kalaschnikow aufwartet, der irrt, und zwar gewaltig, denn die Zeichen stehen auf Veränderung. Das Baltikum grenzt an Skandinavien – und natürlich wäre die momentan im Entstehen begriffene neue baltische Küche ohne die in Dänemark, Norwegen und Schweden zelebrierte New Nordic Cuisine kaum denkbar. Was da vor ein paar Jahren tatsächlich über die Ostsee geschwappt ist, war vor allem Inspiration. Das nordische Bekenntnis zu bedingungsloser Regionalität hat lettischen, litauischen und estnischen Köchen das Selbstbewusstsein verliehen, zu dem zurückzukehren, was man eigentlich schon immer getan hat.
Denn hier hat Selbstversorgung immer dazugehört: Frei nach dem Motto «In unseren Seen und Flüssen angeln wir, in den Wäldern jagen wir, auf den Wiesen sammeln wir und in den Gärten bauen wir an.» Logisch, denn von Lettland wird oft gesagt, es sei ein riesengrosser Park mit einer einzigen richtigen Stadt – gemeint ist Riga, diese unvergleichliche Perle des Jugendstils. Eine der Hauptstädte moderner baltischer Kulinarik, reich gesegnet mit einem nahezu verschwenderischen Angebot an besten Produkten: Der Zentralmarkt, untergebracht in vier gewaltigen Hallen – einst ZeppelinHangare – , der Bauch von Riga, ist ein unvergessliches Erlebnis! Nicht weit davon geht das Staunen im «3 Pavaru», dem vielleicht aufregendsten Restaurant des Landes weiter: Der Name bedeutet «3 Köche» und diese zelebrieren eine wilde, experimentierfreudige, naturnahe, unverkennbar lettische Küche. Unerwartet? Vielleicht, aber das ist eben typisch baltisch – immer für eine Überraschung gut.