Alle paar Jahre werden neue Ernährungskonzepte entwickelt, die jene der vergangenen Jahre über den Haufen werfen. Ob Trennkost, Rohkost, Vollkorn wie in den 70er-Jahren, die Hetze gegen das Ei wegen des Cholesterins oder Low Carb, Paleo, Superfoods und Veganismus: Sie alle wurden oder werden früher oder später durch neue Trends und Diäten abgelöst. Viele Menschen haben deshalb den Eindruck, dass sich die Ernährungsempfehlungen immer mal wieder um 180 Grad drehen. Erst sind die tierischen Fette die Bösewichte, dann die Kohlenhydrate, dann das rote Fleisch, dann der Zucker. Oder ist einfach das gesund, was schmeckt? Vielleicht schon. Denn wir spüren, was uns guttut, ganz unabhängig von Studien, Trends und Konzepten. Genau da setzt die personalisierte Ernährung an. Tatsächlich zeigen mittlerweile unzählige Studien, dass nicht alle Menschen gleich auf dieselben Lebensmittel reagieren. Was für Frau Meier gesundheitlich kein Problem darstellt, könnte bei Frau Müller zu einer Gewichtszunahme, Völlegefühl oder Blähungen führen oder gar die Entstehung von Herzkreislauferkrankungen fördern. Lange ging die Forschung davon aus, dass solche Unterschiede, wie Lebensmittel verstoffwechselt werden, genetisch bedingt seien. Doch Gene allein haben keinen so grossen Einfluss auf den Stoffwechsel. Heute gehen Forschende davon aus, dass die Mikroorganismen im Darm, das sogenannte Mikrobiom, dafür verantwortlich sind, dass im Stoffwechsel verschiedener Menschen mit einem Nährstoff Unterschiedliches passiert. In Forschungsarbeiten wurde das Mikrobiom von Testpersonen genau untersucht, um Voraussagen darüber machen zu können, wie sie auf bestimmte Lebensmittel reagieren.
Ein EU-finanziertes gemeinsames Forschungsprojekt verschiedener europäischer Universitäten befasst sich seit 2011 mit dem Thema «personalisierte Ernährung». Stuhl- und Bluttests sowie Blutzuckerlangzeitkontrollen sollen aufzeigen, wie Personen genau reagieren und welche Ernährung ihnen guttut. So kann es etwa sein, dass Frau Meier ganz viele Weihnachtsguetzli essen kann, ohne dass es zu einem sehr starken Blutzuckerspiegelanstieg kommt. Frau Müller hingegen reagiert ganz anders, ihr Blutzuckerspiegel steigt stark an und nach den Feiertagen wiegt sie 5 kg mehr. Beide Frauen schütten nach derselben Menge derselben Guetzli nicht gleich viel Insulin (Zuckerhormon) aus, die Reaktion des Blutzuckerspiegels und der Fettwerte sind deshalb bei den beiden Frauen auch nicht identisch. Das Fazit: Es gibt keine gesunden und ungesunden Lebensmittel für alle Menschen, weil die Verdauung, die Verwertung und die Verträglichkeit individuell unterschiedlich sind. Deshalb gibt es auch keine allgemeinen Ernährungsempfehlungen, die für alle Menschen geeignet sind. Also müssen Ernährungsempfehlungen personalisiert sein. Doch wer kann solche Empfehlungen abgeben? Natürlich Sie selber, liebe Leserin, lieber Leser. Etwa, indem Sie lernen, auf Ihren eigenen Körper zu achten. Wie fühlen sie sich, wenn Sie was essen? Was tut Ihnen gut, was weniger? Auch können Sie dem Mikrobiom Sorge tragen, indem sie zum Beispiel viele fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut oder Joghurt essen. Denn das Mikrobiom lässt sich durchaus positiv beeinflussen. Dies ist doch immerhin EINE allgemeingültige Ernährungsempfehlung.