Manches Klischee hält sich hartnäckig – etwa dieses: Schweizer Tomaten, die sind doch alle aus dem Gewächshaus und haben einfach keinen Geschmack, im Gegensatz zu denen aus dem Süden. Das war vielleicht früher einmal so. Aber spätestens seit die Brüder Viktor und Oswald Isenegger sich mit der Zucht des schmackhaften Nachtschattengewächses beschäftigen, ist es schlicht falsch. Oswald Isenegger bringt es auf den Punkt: «Unsere Philosophie lautet: Aroma, Aroma, Aroma. Schweizer Tomaten sollen und müssen besser werden. Denn die Konsumenten wollen Aroma!»
Rund 24 Tomatensorten haben Iseneggers im Angebot. Darunter die dunkelrote Black Plum, deren Fruchtfleisch sehr saftig und aromatisch ist, oder die sehr süss schmeckende Mini-Tomate Solarino, die sonst kaum einer in der Schweiz anbaut. Diese Vielfalt war nicht im Geringsten absehbar, als die Brüder 1991 den elterlichen Betrieb in Fenkrieden AG übernahmen, denn es handelte sich damals um einen Freiland-Gemüsebaubetrieb. 1995 errichteten sie das erste Gewächshaus und bauten den Hof seither sukzessive aus. Heute wachsen auf einer Fläche 2,5 Hektaren Tomaten. Für die Versorgung findet sich auch ein 13 000 Kubikmeter fassendes Speicherbecken, denn das lokale Wasser hat einen zu hohen Härtegrad. Und so arbeitet man in Fenkrieden ausschliesslich mit Regenwasser.
Im vielleicht modernsten Gewächshaus der Schweiz gibt es überall Messsonden; Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Belüftung, Wassermenge und Lichtleistung werden komplett computergesteuert. Der Tag ist in vier klimatische Phasen gegliedert, die durch ein entsprechendes Programm überwacht werden. Es gilt ein extrem komplexes Gleichgewicht zu bewahren Dennoch sagt Oswald Isenegger: «Das nützt alles nichts, wenn einem das Gespür für die Pflanze fehlt.» Mehrmals tägliche Augenscheine und das Anpassen der Einstellungen am Computer sind unerlässlich, denn Tomaten sind äusserst heikel und reagieren sehr empfindlich auf äussere Einflüsse. Zu viel Sonne und Hitze versetzen die Pflanze schnell in einen Stresszustand. Es darf nicht einfach immer warm sein, sondern die Temperatur muss stets angepasst werden. Ohne Licht darf die Pflanze kein Wasser bekommen, sonst platzen die Früchte, daher muss sich die Wasserzufuhr immer nach dem Licht richten. «Da braucht es enorm viel Know-how und Technik.» Aber auch tierische Helfer wie die im ganzen Gewächshaus herumschwirrenden Hummeln; ein Tier bestäubt täglich bis zu 1000 Blüten.
Man könne nicht einfach sagen: Im Süden ist es heisser, also sind dort die Tomaten besser. «So einfach ist das nicht!» Im Gegenteil, dort werden die Tomaten infolge der langen Transportwege halbreif geerntet, was dem Geschmack abträglich ist. Nicht weniger wichtig sind salzhaltige Böden. Iseneggers experimentieren immer wieder damit, den Salzgehalt des Bodens zu erhöhen, ohne dass die Erträge allzu sehr zurückgehen. Obwohl: Tomaten mit intensivem Aroma seien in herkömmlichem Schweizer Boden kaum möglich. Daher wachsen die Pflanzen in Fenkrieden Hors Sol, das heisst, auf einer Matte aus Kokos- und Steinwolle. Ein Vorteil besteht darin, dass das Material übermässiges Wasser wieder rauslässt.
Trotz all der modernen Technik kommt man um Handarbeit nicht herum. Etwa das sogenannte Bügelen: Jeder einzelne Tomatenstiel wird mit einer stützenden Manschette versehen, damit der Saft in der Pflanze optimal fliessen kann. Je nach Sorte wachsen die Stauden im Gewächshaus auf eine Länge von 15 bis 18 Meter. Alle zwei Tage wird von Hand geerntet, 700 Tonnen Tomaten sind es im Jahr. «Wir ernten die Früchte rot und lassen sie immer ausreifen.» Die zu Boden gefallenen Blätter der Pflanze werden unten aufgehäuft, als Lebensraum für Nützlinge. Die Encarsia-Schlupfwespe ist äusserst hilfreich gegen Weisse Fliegen oder die Raubwanze gegen Fliegen und Blattläuse. Spritzmittel kommen nur zum Einsatz, wenn es gar nicht anders geht.