Tirol – diese Region im Westen Österreichs steht wie vielleicht keine andere in unserem Nachbarland für Alpenromantik, idyllische Natur, eine unvergleichliche Gastfreundschaft und natürlich auch die herzhafte Küche. Wer die Gegend zum ersten Mal besucht, muss sich jedoch entscheiden, denn die Anzahl an Möglichkeiten ist schier unüberblickbar. Wie wär`s daher mit dem Zillertal und dem mehr oder weniger daneben liegenden Kitzbühel? Das Zillertal verdankt seinen Namen dem Fluss Ziller, der das Tal auf kompletter Länge durchfliesst. Die Talschneise gehört zu den südlichen Seitentälern des Inntals und trennt die Kitzbüheler Alpen von den Tuxer Alpen. Wo im Winter über 500 Kilometer Pisten locken, steht im Sommer ein einzigartiges Netz aus Wanderwegen und Bergbahnen zur Verfügung, gesäumt von authentischen Wirtschaften und knorrigen Hütten, wo nur die besten Produkte aus dem Tal und den Almen auf den Tisch kommen. Ruhe, Erholung und grossartige Kulinarik findet man auch im berühmten Kitzbühel, das mit seiner ganz eigenen Mischung aus alpinem Lifestyle, uriger Tradition, Weltoffenheit und Klasse punktet. Klingt widersprüchlich? Nur auf den ersten Blick, denn sobald man die Tiroler Bergwelt nur ein paar Sekunden auf sich wirken lässt, steht einem Bergsommer voller Genuss nichts mehr im Wege.
Zillertal pur: Auf dem Penkenjoch wartet ein grossartiges Bergpanorama.
In Kitzbühel und im Zillertal gibt es jede Menge zu sehen und zu erleben. Hier unsere bescheidene Auswahl an Höhepunkten, die uns besonders in Erinnerung geblieben sind:
1 MIT DER PENKENBAHN INS VERGNÜGEN
Schon die Fahrt mit der modernen Gondelbahn auf den 2095 Meter hohen Penken ist spektakulär; oben warten Wanderwege, Almhütten und Attraktionen en masse.
2 HAHNENKAMM: DIE STREIF RUFT!
Nach der Fahrt auf den Kitzbüheler Hausberg kann man auf einem speziellen Wanderweg der Route der legendären Streif bis ins Tal folgen.
3 BRAUKUNSTHAUS
Auch wer kein Bier mag, wird hier unterhalten. Ein Multimedia-Rundgang gibt Einblicke in Tirols älteste Privatbrauerei. Von den Zutaten über den Brauprozess und die Abfüllung bis hin zu den Traditionen der Region werden auf drei Etagen Erlebnisse für alle Sinne geboten.
Mit dem Zug erreicht man Kitzbühel ab Zürich in knapp fünf Stunden; nach Mayrhofen dauert es gut 20 Minuten länger. Mit dem Auto fährt man hingegen viereinhalb bzw. vier Stunden. Um sich im Zillertal fortzubewegen, ist die Zillertalbahn ein hervorragendes Verkehrsmittel.
SCHWARZER ADLER KITZBÜHEL
Adults Only Hotel sowie 4-Stern-Superior Boutique-Hotel im Zentrum von Kitzbühel, nur 5 Gehminuten vom Stadtkern mit Casino, Restaurants und Bars und der Hahnenkammbahn entfernt. Besonderes Highlight ist der Pool auf dem Dach. www.adlerkitz.at
©Schwarzer Adler Kitzbühel
HUBER'S BOUTIQUEHOTEL
Dieses kleine, aber feine Boutique-Hotel in Mayrhofen ist modern, gemütlich und ein kleines bisschen extravagant. Wohl wegen des heimeligen Spas, des hervorragenden Restaurants oder der tollen Lage direkt bei der Penkenbahn. www.hbhotel.at
©Huber`s Boutiquehotel
Egal, ob Speck, Graukäse oder Bier – in dieser Ecke Tirols findet man aussergewöhnliche Spezialitäten.
Ob Kitzbühel oder Zillertal – wer über die kulinarischen Spezialitäten Tirols spricht, kommt am Speck nicht vorbei. Wie kaum ein anderes Produkt repräsentiert er diese Region; mehrere Monate lang darf er nach der Räucherung über Buchenholz reifen, um sein unvergleichliches Aroma zu entwickeln. Aber Speck ist nicht gleich Speck – da gibt es zuallererst den Schinkenspeck, den Tiroler Klassiker schlechthin… oder den Karreespeck aus dem Rückenstück vom Schwein, der feiner und milder schmeckt; und natürlich ist da noch der deftige Bauchspeck – perfekt für eine richtige Jause! Auf dem Jausenbrettl ebenfalls nicht fehlen darf der berühmte Graukäse, früher ein Arme-Leute-Essen, heute eine Delikatesse: In den Kupferkesseln werden dabei der Magermilch Milchsäurebakterien beigefügt, dann wird sie auf 25° C erwärmt und 24 Stunden stehen gelassen. Am nächsten Tag wird die eingedickte Milch auf 50° erhitzt. Dabei entsteht Topfen, der sich von der Molke abtrennt. Dieser wird dann abgeschöpft. Nun wird die restliche Molke aus dem Topfen gepresst; die Masse wird aufgelockert, gesalzen und in Zirbenholzfässer gefüllt. Dort lagert er 15 Stunden, was die Reifebakterien aktiviert und arbeiten lässt. Dieser Topfen kommt dann aus den Holzfässern ins Reifelager, wo der Graukäse bis zu über einem Jahr lang veredelt wird. Eine extra lange Reifezeit verleiht ihm ein intensives Malzaroma und einen geleeartigen Teig mit hellem, bröseligem Topfenkern. Die Rinde setzt zuerst weissen, dann grün-blauen Edelschimmel an – ein herrlich würziges Vergnügen. Schritt für Schritt verfolgen lässt sich die Produktion von Graukäse am besten in der Erlebnissennerei Zillertal in Mayrhofen, wo sich alles um die sogenannte Heumilch dreht. Diese stammt von Kühen, Schafen & Ziegen, die im Sommer frische Gräser und Kräuter bekommen und im Winter sonnengetrocknetes Heu. Bei einer Degustation an der hauseigenen Milchbar in Mayrhofen merkt man sofort: Das schmeckt man tatsächlich! Darüber hinaus erfahren und erleben Besucher in der Schaukäserei, wie die Heumilch zu Käse, Butter, Joghurt und anderen Schmankerl verarbeitet wird, etwa beim «Genusslöffeln» durch die beachtliche Joghurtauswahl oder bei der Käse- und Milchdegustation nach dem Rundgang. Wer statt Milch lieber Bier trinkt, besucht am besten das «BrauKunstHaus» in Zell am Ziller, wo man auf einer aufwendig gestalteten multimedialen Tour alles über Geschichte und Produktion des Zillertal-Biers erfährt. Das älteste Familienunternehmen Tirols, mit einer über 500 Jahre alten Geschichte, setzt konsequent auf einheimische Rohstoffe: Quellfrisches Zillertaler Bergwasser, Hopfen aus dem Mühlviertel und Malz aus Fisser Imperial Gerste, die zu 100 % in Tirol angebaut wird, braut man zu hervorragenden Bieren. Nicht nur Klassiker wie Zwickl oder Helles, sondern auch High-End-Produkte aus der eigens dafür errichteten Spezialitätenbrauerei. Bei der Verkostung stechen besonders heraus: «Granat». Ein «Barley Wine», also ein starkes, in Holz gelagertes Ale, das in diesem Fall mit seinem vollen, wärmenden Körper, seiner intensiven Malz-, Trockenfruchtund Caramelaromatik, einer leichten Süsse, gepaart mit subtilen Bitternoten beeindruckt. Noch eindrucksvoller ist die «Gauder Steinbock Reserve Barrique», welche aufgrund des achtwöchigen Ausbaus im Sherry-Barriquefass sagenhaft wuchtig, voluminös und zugleich komplex schmeckt.
Käse- und Milchdegustation in der Erlebnissennerei Zillertal.
Im «BrauKunstHaus» können herausragende Biere verkostet werden.
ERLEBNISSENNEREI
Willkommen in der Welt der Heumilch: Neben einer Schaukäserei und einem Schaubauernhof warten ein Restaurant mit Milchbar, ein riesiger Shop und natürlich jede Menge Produkte, die verkostet werden wollen. www.erlebnissennerei-zillertal.at.
BRAUKUNSTHAUS
Eine interaktive Ausstellung zeigt alles zur Geschichte und Herstellung des Zillertal-Biers. Am Ende des Rundgangs stehen schließlich verschiedene Biersorten zur Verkostung bereit. www.zillertal-bier.at.
Auch in Kitzbühel und im Zillertal feiert man die Wirtshauskultur und mit ihr die Klassiker der österreichischen Küche – völlig zu Recht, denn Schnitzel und Schmarrn sind, wenn gut gemacht, ein wahrer Hochgenuss.
Manchmal, da geht einfach nichts über das klassische Wirtshaus – besonders in Österreich und daher natürlich auch in Tirol. Denn hier gibt es sie noch, diese unvergleichliche Wirtshauskultur, welche die Liebe zur einheimischen Kost, frischen Produkten von Land, Wasser und Wäldern, schlicht, das Authentische zelebriert. Zu dieser Tiroler Gastlichkeit gehört denn auch das Gefühl, in einem echten Familienbetrieb bewirtet zu werden, einem Ort, der seit jeher Mittelpunkt des dörflichen Lebens und Treffpunkt für die Einheimischen war. Im «Jodlbühel», ein paar Meter ausserhalb von Kitzbühel gelegen, setzt man sich am besten in eine der historischen Gaststuben oder auf die Terrasse in den Schatten der 100-jährigen Linde und lässt es sich bei Familie Reisch gut gehen. Zu einem Gläschen vom «gemischten Satz» serviert Gastgeberin und Herrin des Hauses Ursula geräucherten Tiroler Hirschschinken mit Wacholderbutter und frisch geriebenem Kren; und dann herrlich untypisch ein Entenbrustcarpaccio mit fruchtigem Preiselbeerdressing. Im Glas landet nun ein schöner Zwiegelt – die perfekte Wahl zum Zwiebelrostbraten mit frischen Spatzl. Herrlich traditionell!
Das Wiener Schnitzel ist zu Recht ein «Seebichl»-Klassiker.
Im «Seebichl» darf man den Kaiserschmarrn gleich selber zerzupfen.
Natürlich gibt es da auch modernere Abwandlungen: Ein grossartiges Beispiel für diese Art von Neo-Wirtshaus ist das «Seebichl», malerisch gelegen am Kitzbüheler Schwarzsee. Hier verbindet man die kompromisslose Verwendung ausschließlich regional hergestellter Grundprodukte mit einem progressiv Alpen-untypischen Design-Ansatz des Interieurs, weshalb nicht nur Feinschmecker, sondern auch Liebhaber skurriler Kunst auf ihre Kosten kommen. Als Aperitif seien der sechs Wochen im Sherryfass gereifte Negroni und das kleine Rindertatar empfohlen, – wenn es denn gerade auf der sehr häufig wechselnden Karte steht. Bei den Getränken überrascht auch die kleine, aber feine Auswahl an Naturweinen, die übrigens allesamt hervorragend zum Klassiker des Hauses, dem Wiener Schnitzel, passen. Dieses ist wirklich «comme il faut», sprich mit perfekt soufflierter Panier – zurecht eine unsterbliche kulinarische Ikone! In dieser Liga spielt selbstredend auch der Kaiserschmarrn mit; im «Seebichl» kommt er wunderbar caramelisiert und noch unzerzupft an den Tisch, denn dieses Vergnügen sollte man sich nicht entgehen lassen …
JODLBÜHEL
Klassisches Wirtshaus und Familienbetrieb mit langer Geschichte. Auf den Tisch kommen Österreicher und Tiroler Spezialitäten, teilweise nach eigenen Familienrezepten. www.jodlbuehel.at
SEEBICHL
Stilvolles Neo-Wirtshaus, das einen gelungenen Mix aus Tradition und Moderne zelebriert. Fantastisches Wiener Schnitzel und tolle Getränkeauswahl. www.restaurant-seebichl.at
Zwischen Alpenküche und modernem Fine Dining
Neu interpretierte Tiroler Gerichte, ultraregionale Gemüseküche oder opulente Lifestylekulinarik: Wer gerne über den gastronomischen Tellerrand blickt, kommt auch hier voll auf seine Kosten.
Es raschelt im Gebüsch. «Hier, das musst du probieren!», murmelt Peter Fankhauser und zupft ein unscheinbares Blatt von einer Staude. «Käsekraut», und schon wissen wir, woher der Name kommt, denn der Geschmack erinnert wirklich stark an Camembert. «Oder hier, Baumspinat, eine alte Kulturpflanze!». Wer mit Fankhauser durch seinen «Garten» in Stumm wandelt, kommt aus dem Degustieren kaum heraus. Was sich der eigenwillige Spitzenkoch (der auch schon in der berühmten «French Laundry» und im legendären «El Bulli» tätig war) in dieser beschaulichen Ecke des Zillertals aufgebaut hat, ist in der Tat beachtlich: Eine eigene Permakultur, die es ihm erlaubt, sich zu 80 Prozent selbst mit Gemüse, Früchten und Kräutern zu versorgen; der Rest kommt grösstenteils aus anderen Teilen der Region. Das Sammeln in den Wäldern, das Einmachen und Fermentieren für den Winter gehört selbstredend auch dazu. «Da bin ich ein Spinner, … aber nur so kann ich meine eigenen Zutaten erzeugen». Und die Bandbreite ist enorm, sie reicht von Kartoffeln, Süsskartoffeln, Kürbis, Blumenkohl, Topinambur, Pastinaken, Karotten, Beeten bis hin zu Strunkbrokkoli, Shiso, und unzähligen Unterarten von Koriander und Basilikum – übers Jahr etwa 500 verschiedene Zutaten. Zwar immer nur in kleinsten Mengen, aber es erlaubt Fankhauser, alle zwei Wochen die Karte seines kleinen vegetarischen Spitzenrestaurants «Guat`z Essen» komplett zu wechseln, ohne jemals ein Gericht zweimal zu kochen.
Peter Fankhauser inmitten seiner Permakultur in Stumm, Zillertal.
Variation von Kohlrabi, Rucola und Holunder im «Guat'z Essen».
An diesem Abend Ende Juni kommen wir in den Genuss von sehr ästhetischen, komplexen und kleinteiligen Gerichten: Als kalte Vorspeise ein Arrangement von Kohlrabipüree, einer Rolle aus Kohlrabi und Kohlrabigrün, Holundergel Birnengel, Leinsamencrumble, Rucolapesto, Holundeblütenschaum und Rucolasorbet, aufgegossen mit Joghurtdressing. Im Hauptgang Cremespinat aus Brennnesseln, Quinoa, Ravioli gefüllt mit Zuckererbsen und Frischkäse, dazu Erbsenpüree, Zitronenmelissengel, verfeinert eine Sauce aus Zuckererbse und Melisse. Kurzum: Jeder Gang ein filigranes Kunstwerk, fast zu schade zum Essen (was jedoch unbedingt empfohlen sei!).
Es tut sich was im Zillertal und Peter Fankhauser ist nicht der einzige junge Wilde, der die Szene gründlich aufmischt: Seit 2009 kocht Klemens Huber im elterlichen Boutique-Hotel in Mayrhofen und kombiniert Zillertaler Alpenkost mit französischen Noten und zeitgenössischem Fine Dining. Gleich zu Beginn des Menüs wird eine wahre Batterie an Amuse-Bouches auf dem Holzbrett aufgetragen: Liebstöckelglace zu Zillertaler Krapfen, buttriger French Toast mit Beef Tartare, Soleier von der Wachtel und ein Süppchen aus den letzten Spargeln der Saison. Köstlich, aber nicht so grandios wie die darauffolgende Kombination von angepökeltem Rinderfilet, marinierter roter Zwiebel, Wasabijoghurt, Senfsaat und geräuchertem Ei – eine ausgefeilte Balance von Salzigkeit, dezenter Säure, einem Hauch Schärfe und Umami. Nochmals Rind gibt es im Hauptgang, wo Huber einen rosa gebratenen Rücken mit Ricotta-Kartoffel-Krapfen und wunderbar rauchigem Tiroler Speck kombiniert, was dem ganzen einen Hauch von Zillertaler Rustikalität verleiht, aber auch eine herrliche Opulenz.
Fantastische Amuse-Bouches im «Hubers à la Carte».
Klasse à la Kitz: Backhendl trifft auf Trüffelpizza im «Neuwirt».
Für mehr Opulenz fährt man am besten ein paar Kilometer weiter nach Kitzbühel, dem zwar der Ruf einer dekadenten Schickimicki-Destination vorauseilt, sich aber als ein Ort höchster Gastlichkeit erweist: Natürlich parken vor den Hotels mehr Ferraris und Porsches als anderswo, natürlich tummeln sich mehr bekannte Luxusmarken, aber letzten Endes ist es doch so, wie Urgestein Pepi Treichl auf den Punkt bringt: «In Kitzbühel haben wir einfach früher als andere erkannt, dass es besser ist jeden, egal, wo er herkommt, bei uns Willkommen zu heissen.» Denn das ist «Kitz»: Weltoffen und international, aber auch traditionell und mit spürbarer Klasse. Um diese Formel auch in kulinarischer Hinsicht auf den Punkt zu bringen, empfiehlt sich ein Essen im «Neuwirt», untergebracht im Hotel Schwarzer Adler. Wer möchte, bestellt sich Tafelspitz, Kalbfleischpflanzerl oder das geradezu göttliche Backhendl, könnte sich aber auch für ein Sashimi von der heimischen Lachsforelle, Ramen von lokalen Schwammerl oder das pochierte Ei mit Sommerkräutern, Kartoffelcrunch und frischem Trüffel entscheiden. Und da ist er dann wieder, dieser charmante Hauch von Dekadenz … Erst einmal auf den Geschmack gekommen, gibt es folglich kaum etwas Schöneres als diese Pizza, bestrichen mit einer Parmesan-Périgordtrüffel-Creme und frischem Sommertrüffel darüber gehobelt. Davon auch wirklich reichlich – wir sind schliesslich in «Kitz» …
NEUWIRT
International, traditionell und mit spürbarer Klasse – genau so wie Kitzbühel eben ... www.neuwirtkitz.com
GUAT'Z ESSEN
Ultra-regionale, enorm ästhetische Gemüseküche auf allerhöchstem Niveau. https://guatzessen.at
HUBERS À LA CARTE
Klemens Huber hat riesiges Potenzial: Zeitgenössische Klassik trifft auf Zillertaler Alpenküche. www.hbhotel.at/de/gourmet-restaurant/hubers-a-la-carte
So richtig authentisch isst definitiv, wer in einer klassischen Almhütte einkehrt. Da gibt es nicht nur deftige Tiroler Klassiker, sondern auch erfrischend moderne Ansätze.
I m Jahr 1829 schrieb Johann Wolfgang von Goethe über einen Tirol-Aufenthalt: «Hierher gekommen, gleichsam gezwungen, endlich an einen Ruhepunkt, an einen stillen Ort, wie ich ihn mir nur hätte wünschen können». Diese eskapistische Sehnsucht nach unverfälschter Idylle fernab des Alltagsstresses treibt nach wie vor viele Besucher in die Tiroler Bergwelt, wo im Schatten von mehr als 500 Dreitausendern, über 600 Gletschern, grünen Almen und knorrigen Hütten eine paradiesische Gegenwelt zu warten scheint. Das findet man natürlich auch im Zillertal und um Kitzbühel. Etwa 20 Minuten mit dem Auto und man hat den Trubel um «Kitz» hinter sich gelassen, die Strasse windet sich steil den Berg hinauf und immer wieder passieren friedlich grasende Kühe den Weg. Irgendwann erreicht man die Bruggeralm, eine alte Tiroler Hütte aus dunklem, sonnengegerbtem Holz, rustikal, ursprünglich wie aus dem Bilderbuch; der ideale Ort für ein zünftiges Bergfrühstück. Bei einem erfrischenden Glas Brennnesselsaft (unbedingt probieren!) steigt dann die Vorfreude mit jeder Minute. Die Wirtsleute Nina und Andi tischen auf: Im Gusseisenpfannl brutzeln Spiegeleier mit Tiroler Speck, dazu eine grosszügige Platte mit noch mehr Speck, Schinken, Wurst und Bergkäse; Joghurt und Butter aus bester Heumilch und frisch gebackenes Brot. Doch auch topmoderne Alm-«Hütten» wie etwa die Tannenalm im Zillertal lohnen die steile Anfahrt. Das 2018 eröffnete Restaurant verfügt sogar über einen eigenen Speckkeller, was beispielsweise dem gefüllten Tiroler Schnitzel eine unwiderstehlich rauchige Note verleiht. Wer wirklich Hunger hat, bestellt das traditionelle Tiroler Gröstl, also gekochte Kartoffeln, Zwiebeln und Schweinefleisch, alles in Butterschmalz angeröstet und mit einem Spiegelei serviert. Heute würde man von «Comfort Food» der deftigen Sorte sprechen, früher war es ganz simpel der beste Weg, die Reste des Sonntagsbratens zu verwerten.
Genauso, wie man sich eine Almhütte vorstellt: Die «Bruggeralm» bei Kitzbühel.
Tiroler Rotweinnudeln mit Hirschspeck in der «Granatalm».
Die pure Antithese zum Ruhepunkt des alten Goethe liegt auf dem Penkenjoch. Neben viel Hüttengaudi sorgen Gleitschirme, eine Berg-Roller-Route, ein E-Trial-Parcours und ein riesiger Bergspielplatz für jede Menge Action; die von Mario Botta entworfene Granatkapelle bildet ein architektonisches Highlight. Kulinarisch sticht auf diesem Sonnenplateau vor allem die «Granatalm» hervor: Seit zwölf Jahren führen Christa und Georg diese topmoderne Hütte und servieren zeitgenössisch umgesetzte Klassiker der Tiroler Alpenküche. Neben «Zerggl» (auch bekannt als Pressknödel oder Kasnockn), also aus Kartoffeln, Graukäse, Zwiebeln, Topfen und Schnittlauch geformte Laiberl, die in Butterschmalz ausgebacken und am besten ganz simpel mit etwas Sauerrahm serviert werden; sollte man unbedingt die Süd - tiroler Weinnudeln (mit einem schönen Schuss Lagrein im Teig) mit Hirschsspeck, Tomaten, Frühlingszwiebeln, Schnittlauch und Parmesan kosten. Wenn dann noch Platz ist, führt kein Weg an einem Moosbeer (eine Gattung der Heidelbeere) -Schmarrn vorbei – fruchtig, süss und zart, und der ganze Trubel drumherum gerät in Vergessenheit. Noch mehr Action gibt es auf dem Penkenjoch übrigens im Winter, denn hier startet mit der «Harakiri» die steilste präparierte Skipiste des Landes. Gut, noch steiler wäre natürlich die legendäre Streif am Hahnenkamm in Kitzbühel … doch diese ist eben den Profis vorbehalten. Jetzt im Sommer kann man dem Verlauf der Streif in Form eines speziellen Wanderweges folgen; wer zuvor jedoch noch eine Stärkung benötigt, kehrt am besten im «Hahnenkammstüberl» ein, wo seit Jahrzehnten die Lisi mit ihrer Familie wirtet. Hüttenwirtin aus Leidenschaft und ein echtes «Pfundsweib», das uns mit einer unvergleichlichen Herzlichkeit grossartige Tiroler Krapfen – in Butterschmalz ausgebackene und mit Graukäse und Kartoffeln gefüllte Teigtaschen – und Kasspatzl mit Röstzwiebeln und einer Extraportion Speck auftischt. Alles so saugut und schnalzig wie es mächtig ist. Unseren Versuch, sich vollgegessen um die Nachspeise zu drücken, quittiert die Lisi mit einem charmant-bestimmten «Einen Kaiserschmarrn muasts aber jetzt noch essn!». Natürlich mit selbstgesammelten Moosbeeren. Da kann einfach niemand Nein sagen…
Idylle pur: Das Penkenjoch hat auch ruhige Ecken.
Ein Tiroler Klassiker: «Gröstl» auf der «Tannen - alm».
TANNENALM
Moderner Alpengasthof mit traditioneller Zillertaler Küche und grossartiger Aussicht. www.tannenalm.at
HAHNENKAMMSTÜBERL
Nicht nur wegen des Bergpanoramas die erste Adresse auf dem Kitzbüheler Hausberg
GRANATALM
Zeitgenössische Almhütte mit teils modern interpretierter Hausmannskost. www.granatalm.at
BRUGGERALM
Knorrig-gemütliche Almhütte; gute Adresse für ein ausgiebiges Bergfrühstück. www.bruggeralm.at
Wer das Zillertal und Kitzbühel mit ein paar kulinarischen Souvenirs verlassen möchte, hält sich am besten an diese ausgesuchten Adressen:
ZILLERTALER BERGLADEN
Ein wirklich grandioser Schnapsladen! Aus Zutaten von den Bergen und Tälern der heimischen Umgebung wird eine schier unermesslich gross anmutende Vielfalt an Edelbränden, Schnäpsen und Likören hergestellt. Kostprobe gefällig? Berg-Gin und -Whisky, Schnäpse aus Heu, Zirbe, Beeren, Kräutern, Birne, Marille, Haselnuss; Holunder, Eier- und sogar Apfelstrudellikör! Im Geschäft in Mayrhofen kann alles degustiert werden. www.shop.bergladen.at
SPECKDORF
Wer das Zillertal via Gerlospass in Richtung Kitzbühel verlässt, wird nicht nur mit einer grandiosen Landschaft belohnt. Unweit der berühmten Krimmler Wasserfälle, direkt an der Strasse zwischen Neukirchen und Krimml, liegt das Pinzga Speckdorf. In der gemütlichen Atmosphäre inmitten der liebevoll gestalteten Stadel findet sich eine grandiose Auswahl an Speck-Spezialitäten. Angeboten werden neben Wurstspezialitäten auch hausgemachte Knödel, frisch gebackenes Brot und Fleisch aus der hauseigenen Metzgerei. Viel Regionales, wie z. B. Käse, Honigprodukte, Eingelegtes, Essige, Kräuter in allen Variationen, Weine und Hochprozentiges runden das Angebot ab. www.pinzgauer-speck.at/speckdorf/.com
GENUSSMARKT KITZBÜHEL
Immer Samstags von 8 bis 14 Uhr bieten heimische Hersteller das Beste aus regionaler Produktion am Kitzbüheler Genussmarkt in der Hinterstadt. Angeboten werden Bioprodukte, Obst und Gemüse, Speck, Würste, Käse, Bauernbrot, Gebäck und Süssspeisen, Lammprodukte und Felle sowie handgemachter Schmuck und vieles mehr. Ab 10 Uhr tischen lokale Wirte saisonale Speisen auf und auch für musikalische Unterhaltung ist bestens gesorgt. www.genussmarkt-kitzbuehel.at
Diese Reise wurde unterstützt durch Österreich Werbung, Zillertalund Kitzbühel Tourismus. ©Erlebnissennerei Zillertal
Unser Reiseredaktor Nicolas Bollinger interessiert sich stets für die kleinen feinen kulturellen Unterschiede, die einem beim Reisen auffallen. Heute: Unsere Berge, eure Berge.
Es mutet irgendwie seltsam an, aber bei dieser Reise war es tatsächlich so dass, wenn man mit Besuchern aus Deutschland ins Gespräch kam, sofort die Frage auftauchte: «Was macht ihr Schweizer denn in Österreich? Ihr habt doch selber Berge!» Etwas baff ob der typischen Direktheit unserer nördlichen Nachbarn, fällt einem kaum eine gute Antwort ein ... immerhin ein guter Denkanstoss: Nach dieser Logik wäre es ganz egal, wo in den Alpenraum man reist, Italien, Frankreich, Österreich oder Schweiz, Hauptsache Berge, kulturelle Unterschiede hin oder her. Nein, das kann es nicht sein. Ausserdem legt dieses Denken einen merkwürdigen Vergleichspatriotismus nahe («Unsere Berge sind besser als eure»), den man auch bei helvetischen Alpinnationalisten findet, die sowieso der Meinung sind, dass alles unter 4000 Metern Meereshöhe sowieso nicht als Berg gilt. Daher überlasse ich diese «Hauptsache Berge, egal, wer dort wohnt»-Haltung lieber den Geologen, die vermeintlich nur an Gesteinsformationen interessiert sind. Ich reise an andere Orte, weil ich dort andere Kulturen, andere Sprachen, andere Menschen, anderes Essen und Trinken erleben kann – darum geht es letzten Endes. Und nicht darum, ob es Berge hat und wie hoch diese sind.
Ein Schnappschuss
Wo wurde dieses Foto gemacht? In Savoyen? Im Engadin? Oder eben im Zillertal. Rein äusserlich kann man das kaum feststellen ... doch wer nur ein paar Minuten mit den Einheimischen spricht, in ein typisches Lokal einkehrt, isst und trinkt, was von hier kommt, der merkt schnell, dass das wichtiger ist als das blosse Vorhandensein von Bergen.