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Norwegen, der «Weg nach Norden» ist mit seinem durch die Kraft der Gletscher geformten Antlitz ein Land von dramatischer Schönheit. Ein Traumziel, nicht nur für ruhesuchende Naturfreunde und Outdoor-Freaks, sondern aufgrund seiner nordisch-pointierten Küche mittlerweile auch für Genussreisende.
Eine Woche – das ist viel zu wenig Zeit für dieses unermesslich gross wirkende Land, das sich über die gesamte Westseite der skandinavischen Halbinsel, vom malerischen Süden bis hinauf in die Arktis zum Nordkapp erstreckt. Beginnen wir mit dem Südwesten, von Trondheim der Küste entlang nach Bergen und direkt ins Fjordland, die «Seele Norwegens», wo sich das Meer seinen Weg direkt in das Herz einer von Gletschern gekrönten Bergwelt gebahnt hat. Eine Region, in der Gebirge, Wald und Ozean direkt aufeinandertreffen, ist natürlich nicht nur landschaftlich, sondern auch kulinarisch enorm spannend: Besonders die norwegische Küche hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Herausragende Produkte wie Rentier, Elch, Beeren, Pilze und selbstredend Fisch und Meeresfrüchte hatte man schon immer. Doch erst der Siegeszug der neuen nordischen Küche hat den Stolz und das Bewusstsein für diese kulinarischen Schätze richtig geschärft.
Bergen gilt als die schönste Stadt Norwegens
Eine persönliche, daher rein subjektive Auswahl:
1 Im und über dem Lysefjord
Der südlichste unter den grossen Fjorden bietet Spektakel pur: sei es der Blick vom Preikestolen oder eine Fahrt mit dem Speedboot übers Wasser.
2 Auf der Postschiffroute
Wer nicht einen Teil seiner Reise mit den Hurtigruten absolviert,
verpasst etwas. Der Ruf der «schönsten Seereise der Welt» kommt
nicht von ungefähr.
3 Durch die Hardangervidda
Wild, schroff und von Gletschern gesäumt – eine Landschaft wie
keine andere... und dank der R7 auch mit dem Auto erlebbar.
Die norwegische Ölmetropole ist klein, urban und hat eine äusserst lebendige Restaurantszene. Der nahe gelegene Lysefjord verspricht zudem Action in allen Facetten.
Willkommen auf der Wanderautobahn. Ein nicht enden wollender Strom von Menschen, Hunderte steigen, stapfen und keuchen unablässig den Berg hoch, alle mit demselben Ziel. Dem «Preikestolen», einem der berühmtesten Aussichtspunkte der Welt, Motiv Abertausender Instagram-Fotos, Hollywood-Filmkulisse – hier muss man einfach gewesen sein. Und dafür stellen sich jedes Jahr über 300 000 Menschen dem gut zweistündigen Aufstieg. Denn man muss es mit eigenen Augen gesehen haben: Eine fast quadratische Felsplattform, 600 schwindelerregende Meter über der dramatischen Szenerie des Lysefjords. Innehalten und die Landschaft auf sich wirken lassen – das ist leider kaum noch möglich…, aber dennoch hat der Ausblick etwas Überwältigendes. Ein kurzer Blick in den gähnenden Abgrund, der einen erschaudern lässt, aber nicht so sehr wie die teils waghalsigen Posen, in welchen sich man-che Besucher für das bestmögliche Selfie inszenieren und nicht selten in Gefahr bringen. Wenn Adrenalin, dann bitte anders: Am nächsten Tag kehren wir zurück in den Fjord, aber diesmal über das Wasser.
Der «Preikestolen» ist einer der berühmtesten Aussichtspunkte der Welt.
Der Preikestolen liegt im Nebel, doch das kümmert uns wenig. Der Steuermann beschleunigt das Speed-Schlauchboot bis an die Schmerzgrenze, der Rumpf donnert über die Wellen, ein kalter Wind und der Regen peitschen uns entgegen. Trotz der Ganzkörperanzüge – wirklich trocken bleibt bei so einer Tour keiner, und dennoch gibt es keinen aufregenderen Weg, den Lysefjord zu erkunden. Durch Schluchten, entlang gewaltiger Feldwände und Wasserfälle und dann hinaus aufs Wasser, wo aus der tosenden Gicht irgendwann der Hafen von Stavanger auftaucht. Stavanger ist ein Faszinosum, auf den ersten Blick klein, beschaulich und fast verschlafen, entpuppt es sich sogleich als hypermodern, international und hip, eine Hochburg der Streetart, des Öls, des Geldes (denn hier haben zahlreiche Offshore-Giganten ihren Hauptsitz) – und glücklicherweise auch der Gastronomie. Wer Lust auf einen kulinarischen Streifzug verspürt, beginnt diesen am besten am Hafen, wo Fischerboote auf Bohrschiffe und 200-jährige hölzerne Speicherhäuser auf gläserne Bürogebäude treffen.
Stavanger ist klein,
verschlafen und zugleich hypermodern und hip.
Den Quai entlang und dann zum Aperitif in die «Norvald Winbar», eine riesige Weinbar mit noch grösserer Auswahl (dank Coravin-Ausschanksystem können sogar Raritäten glasweise genossen werden), kurzum, ein Lokal, wie man es sich auch hierzulande mehr wünschen würde. Bierliebhaber zieht es ins «Cardinal Pub» mit seinen über 500 Sorten, für Cocktails geht man ins «Pjolter & Punsj» oder ins «No Stress». Zeit, um etwas zu essen. Als bestes Fischrestaurant der Stadt empfiehlt sich der «Fisketorget», wo es Seeteufel-Focaccia mit Kräutern, enorm aromatische Fischsuppe mit Muscheln sowie grossartiges Lachs-Risotto gibt. Wenn es lieber Fleisch sein soll, ist das «Köd» eine gute Adresse, nicht nur wegen des hervorragend abgeschmeckten Tatars mit verkohlter Lauch-Mayo und Kräuterstaub oder des Carpaccios mit Focaccia-Crumble und eingelegten Perlzwiebeln, sondern schlicht darum, weil es die beste Adresse in Stavanger für ein richtiges Steak ist. Und nun? Nochmals hinaus, wo die bunten Lichterketten leuchten, die ganze Stadt auf den Beinen zu sein scheint, wo man sich des Lebens freut und die Bars zum finalen Drink verführen. Sommernächte in Stavanger sind lang.
Norvald Vinbar
Riesige Weinauswahl; Raritäten gibt es sogar glasweise. www.instagram.com/norvaldvinbar
Fisketorget
Hervorragendes Fischrestaurant, direkt am Hafen.
www.fisketorget-stavanger.no
Köd
Stavangers beste Adresse für ein gutes Stück Fleisch.
www.diningsix.no/koed/en
Stavanger RIB
Mit dem Schlauchboot in den Lysfjord: Adrenalin ist garantiert.
www.stavangerrib.no
Im Hardangerfjord und der Hardangervidda warten dramatische Landschaften – und das spektakulärste Restaurant des Landes.
In donnerndem Getöse stürzt das Wasser in die Schlucht. 182 Meter Fallhöhe, ehe es sich in einer Wolke aus Gischt verliert. Der Vøringsfossen, Norwegens berühmtester Wasserfall, ist ein Spektakel der Elemente und ein Symbol für die wilde Natur des Landes. Die Fluten, die ihn speisen, entspringen der Hardangervidda, einem einsamen, sagenumwobenen Gebirgsplateau. Die R7, eine nationale Landschaftsroute, windet sich durch schluchtartige Täler und schraubt sich so lange in die Höhe, bis die Bäume einer kargen Ebene weichen und der Horizont sich weitet. In der grössten Hochebene Europas ziehen Rentiere durch die sturmgepeitschte Landschaft, in der Ferne schimmern vergletscherte Berge, ehe sie von der nächsten Wolkenfront verschluckt werden. Das muss es wohl sein, dieses raue, ungezähmte Norwegen. Wer der Strasse westwärts ins Tal folgt, landet irgendwann an den Ufern des Hardangerfjords, dem zweitgrössten und für nicht wenige dem schönsten Fjord überhaupt. Das liegt sicher an dessen Vielfältigkeit: Zeigt er sich bei Lofthus mit sanften Hügeln und fruchtbaren Hängen (von hier stammt übrigens der beste Apfelwein) und nur ein paar Kilometer weiter bei Odda wieder dramatisch und spektakulär, mit Steilhängen, auf denen Gletscher thronen, die tosende Wasserfälle ins Tal schicken – und der weltberühmten Felsformation «Trolltunga». Gutes Essen vor grandioser Kulisse ist daher auch ein Grund, Odda zu besuchen: Etwas südlich führt eine schmale steile Strasse durch ein malerisches Tal, an dessen Ende ein einsames Restaurant auftaucht. Fast unmittelbar unter der Gletscherzunge des «Buerbreen» serviert man im «Buer» raffinierte Gerichte aus selbstangebautem Gemüse, Beeren, Pilzen und Kräutern aus den Wäldern sowie dem Fleisch der eigenen Hochlandrinder.
Noch nicht spektakulär genug? Im Juni wurde mit dem «Iris» ein Restaurant eröffnet, das es so bisher nicht gegeben hat. Ein 18-gängiges Menü aus lokalen und nachhaltigen Zutaten, serviert auf einer schwimmenden Kunstinstallation inmitten des Hardangerfjords? Wer macht den so was? Chefköchin Anika Madsen und Ehemann Nico Danielsen waren in der gehobenen Gastronomie Kopenhagens erfolgreich, ehe man ihnen ein Angebot machte, das sie nicht ablehnen konnten. Ein wichtiger Player der norwegischen Lachszucht hatte mit dem «Salmon Eye» einen futuristischen Tagungsort auf dem Wasser geschaffen, der aber nun leer stand. Warum also kein Restaurant eröffnen? Ein Besuch im «Iris» ist eine Expedition, und diese beginnt an einem Bootssteg in Rosendal mit dem Anlegen der Schwimmweste und dem Besteigen eines Solar-
boots. Erster Halt: Das Bootshaus von Anika und Nico auf der Insel Snilstveitøy, wo uns der Restaurantleiter gleich persönlich mit einem Glas Cider und Snacks begrüsst. Zurück an Bord. Und dann scheint plötzlich die metallisch schimmernde Silhouette des «Salmon Eye» auf, das wie ein notgewassertes Ufo im Fjord dümpelt. Im Bauch dieses Wals dominiert futuristisches Interieur, ein wenig Lichtshow, aber nicht zu viel, denn das würde nur vom Panoramablick auf Wasser und Berge ablenken. Und natürlich vom Essen. Denn das soll nicht einfach nur gut schmecken, sondern auch zum Nachdenken anregen und aufzeigen, wie globale Ernährungsfragen bezüglich Nachhaltigkeit gelöst werden können. Jedes Gericht hängt mit den Bauern, Fischern und Produzenten, die die Zutaten liefern, zusammen. Warum also eine Seeigelcreme auf knusprigem Seetang servieren? «Weil es zwei mögliche Proteinquellen der Zukunft sind», so Anika. Weil sich der Seeigel unkontrolliert vermehrt und sich von Tang ernährt, der für die Bindung von CO2 wichtig ist. «Essen wir also mehr Seeigel!» Natürlich gibt es dann auch Krea-
tionen, die einfach nur Spass machen, wie etwa knusprige Blinis mit Sauerrahmcreme, schwarzen Johannisbeerblättern und Fjordkrabben. Als umwerfend erweist sich der mehrteilige Hauptgang rund um das Rentier (50-mal geringerer CO2-Fussabdruck als Rind): Als AuftaktTatar aus Rentierherz, gegrilltem Lauch und eingelegten Bärlauchkapern, dann folgt die confierte, gezupfte Zunge mit gelben Rüben und als Finale das gegrillte Filet mit Topinambur, Pfeffer und Himbeeren. So ein Menü dauert, aber es ist wirklich eine einzigartige Erfahrung. Als die Nacht einbricht, strahlt das ganze «Iris» in leuchtenden Farben und ein ebenso denkwürdiger wie köstlicher Abend geht zu Ende.
Buer
Einfache, aber raffinierte nordische Küche an umwerfender Lage.
www.buer.no
Iris
Das zurzeit wohl spektakulärste Restaurant des Landes.
https://www.restaurantiris.no
Die «MS Nordlys» der «Hurtigruten»-Linie. Eine Reise mit der Postschifflinie von Trondheim nach Bergen lohnt sich nicht nur landschaftlich, sondern auch kulinarisch.
Einst war Trondheim der Sitz der norwegischen Könige und damit wichtigste Stadt des Landes. Die drittgrösste Stadt Norwegens versetzt aber auch heute noch ihre Besucher in Erstaunen. So gilt der aus dem 12. Jahrhundert stammende Nidarosdom nicht nur als ein Meisterwerk der Gotik, sondern auch als grösster, wichtigster
und repräsentativster Sakralbau von ganz Skandinavien. Entlang des städtischen Hauptkanals, der Nidelva, ragen die berühmten Speicherhäuser von Bryggene seit dem 19. Jahrhundert auf hölzernen Pfälen aus dem Wasser – und machen damit dem Dom als berühmtestes Fotomotiv Konkurrenz. Doch auch kulinarisch lohnt sich ein Stopp in Trondheim: In der «Spontan Vinbar» kocht Fredrik Engen angenehm puristisch und nordisch modern mit Fokus auf regionale und saisonale Zutaten. Zu den Highlights bei unserem Besuch gehören das Ceviche vom Heilbutt mit unreifen Erdbeeren und Seeigel, das Jakobsmuscheltatar mit Steckrübe, grünem Apfel und Buttermilch sowie der gebratene Dry-Aged-Steinbutt mit grilliertem Spitzkohl, Meerrettich und einer herrlich üppigen Beurre blanc. Am nächsten Morgen verlassen wir Trondheim in Richtung Bergen. Mit den legendären «Hurtigruten». Seit 1893 verkehrt die Postschifflinie entlang der Fjordküste zwischen Bergen und dem hoch im Norden gelegenen Kirkenes. Unser Schiff, die «MS Nordlys», besteigen wir ohne grosses Tamtam, denn für die Norweger gehört das Postschiff ganz normal zum öffentlichen Verkehr; man geht in einem Hafen an Bord und verlässt das Schiff in einem anderen wieder. Vielleicht macht das diese «schönste Seereise» der Welt» so besonders: Dass man Teil eines Arbeitsschiffs wird, das auch Fracht transportiert; ohne Animation und Bordunterhaltung. Die Attraktion ist die Reise selbst.
Eine «Hurtigruten»-Reise ist vor allem landschaftlich ein Erlebnis.
Beim Ablegen kreuzen wir die nordwärts verkehrende «Kong Harald»; uns zieht es in den Süden. Das hat auch einen direkten Einfluss auf das kulinarische Angebot an Bord: Ob Kabeljau von den Vesterålen oder Käse von den Lofoten, wenn das Schiff einen Hafen anläuft, lässt sich die Küche mit lokalen Produkten beliefern, sodass man die Küste nicht nur sehen, sondern auch schmecken kann. «Das macht uns wohl so erfolgreich», sagt Jon Henneli, der Hotel-Manager an Bord, «denn so arbeiten wir wirklich mit den Orten zusammen, die wir ansteuern.» Der ganze Reichtum norwegischer Produkte zeigt sich dann am Mittagsbuffet: eingelegter Fisch, Rauchlachs, Garnelensalat, saures Gemüse, Elch- und Rentierbraten, Käse… Zum Dessert sollte man die Glace-Spezialitäten bei Lorayne im Schiffscafé probieren. Neben den üblichen Geschmacksrichtungen finden sich da etwa auch Lakritz-Caramel, Braunkäse (herrlich buttrig-caramelig), Lofoten-Pils oder Trockenfisch (gewöhnungsbedürftig)! Und dann entspannen auf dem Panoramadeck oder draussen, wo einem der Atlantik eine steife Brise entgegenschickt. Am Horizont stauen sich dunkle Wolken entlang schroffer Berggipfel, unwirtliche Küsten mit einsamen Leuchttürmen wechseln sich ab mit Fischerhäfen und Fjorden, ein Wechselspiel von Sonne und Regen – doch was gleich bleibt, ist dieses befreiende Gefühl der Weite. Ein kurzer Landgang in Christiansund, gerade lange genug, um sich die Beine zu vertreten, aber zu kurz für einen Aperitif. Den geniesst man sowieso am besten wieder an Bord, wo Barkeeper Kenneth Drinks mit norwegischem Einschlag mixt, aber auch individuell auf den Gast zugeschnittene Kreationen aus dem Hut zaubert, wie etwa einen nordischen «Manhattan» auf der Basis von lokalem Aquavit. Und wenn das nachfolgende Dinner etwas Besonderes sein soll, dann bitte im «Kysten», wo etwas anspruchsvollere Gerichte in der offenen Küche zubereitet werden. Perfekt als Einstimmung: Ein Glas «Havets Bobler», ein Schaumwein, der eigens für die Hurtigruten auf dem Meeresgrund (!) gereift wurde. Los geht es mit einer Suppe aus «verbranntem» Kohl und Seetang, dazu Jakobsmuscheln aus Frøya mit geräucherter Butter; gefolgt von einem Elchtatar mit Wacholderbeeren, Honig und Roggen. Dann Rentier aus dem Ofen oder Ente mit Brombeeren, gebackener Rande und Knollenselleriepüree – ein wirklich tolles Menü. Jetzt lädt das Aussendeck zum Verdauungsspaziergang ein… oder einem letzten Abstecher zu Kenneth ...
Spontan Vinbar
Einerseits eine Weinbar, andererseits ein Restaurant mit toller neunordischer Küche.
https://www.spontanvinbar.no
Hurtigruten
Egal, ob nur eine Etappe oder die ganze Route: Diese Reise ist ein Erlebnis.
https://www.hurtigruten.ch
Manchmal gibt es diese Momente, in denen Klischee und Wirklichkeit auf eine magische Weise zu verschmelzen scheinen, etwa in diesem Bild: Ein Hafen am Atlantik, es ankern Segelschiffe und Fischerboote, Möwen kreisen über alten, teils bunt leuchtenden Holzhäusern, bewaldete Berge ragen steil aus dem Wasser und auf dem Teller die frischesten Meeresfrüchte, die es gibt – Norwegen als Konzentrat, Norwegen wie aus dem Bilderbuch. Aber völlig real; willkommen in Bergen! Man muss sich nicht lange in der zweitgrössten Stadt Norwegens aufhalten, um zu verstehen, weshalb sie vielen als die schönste des Landes gilt: Hauptstadt des Fjordlands, Königin der Fjorde, die Stadt zwischen sieben Bergen und sieben Fjorden – Bergen hat viele Namen, «regenreichste Stadt Europas» gehört ebenfalls dazu. Deswegen jedoch auf einen Besuch zu verzichten, wäre falsch. Auch wenn unser Aufenthalt alles andere als trocken verlief, folgt doch auch in Bergen zuverlässig auf jeden Regenguss die Sonne. Und dann erstrahlt die heimliche Hauptstadt Norwegens in ihrer ganzen charmanten Pracht: Da ist die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Hafenstrasse Bryggen, ein Labyrinth aus eng aneinandergeschmiegten Holzhäusern, ein Relikt aus der Zeit, als die Hanse von hier aus den internationalen Handel beherrschte. In nur fünf Minuten gelangt man mit einer Standseilbahn, der Fløibanen, auf den Hausberg Fløyen und geniesst einen fantastischen Blick auf den Hafen, die Fjorde und auf eine Metropole, die sich einen dörflichen Charme und eine zutiefst nordische Gemütlichkeit bewahrt hat. Und natürlich nicht zu vergessen der «Fisketorget», der berühmte Fischmarkt am Hafen, der von Einheimischen wie von Touristen gleichsam frequentiert wird, um leuchtend rote Garnelen, Hummer, riesige Königskrabben, Krebse, frischen und geräucherten Fisch sowie Austern und Jakobsmuscheln nicht nur zu bestaunen, sondern auch zu geniessen.
Die zweitgröste Stadt Norwegens gilt bei vielen als die schönste. Und als Paradies für Fans von Fisch und Meeresfrüchten.
Womit wir wieder beim anfänglich beschriebenen Bild wären: Das Restaurant «Fjellskål» liegt mitten in der Markthalle des Fisketorget und selbstverständlich dreht sich alles um Fisch und Meeresfrüchte. Auf dem Weg zu seinem Tisch passiert man eine einzige langgezogene Kühlvitrine, in der so ziemlich alles angeboten wird, was im Meer schwimmt. Das macht die Entscheidung natürlich alles andere als einfach. Wir beginnen mit einer Auswahl an lokalem Sashimi, natürlich vom norwegischen Lachs, Regenbogenforelle, Jakobsmuscheln, Islandmuscheln, grünem Seeigel und wilden Austern aus der Region. So frisch, pur und rein im Geschmack, was für ein Fest! Es folgt eine Auswahl der besten Schalentiere aus dem Tagesfang: Kaisergranat und Königskrabben vom Grill mit Knoblauchöl, gekochte Steinkrabben, Schneekrabben und frische Garnelen sowie Miesmuscheln mit Weisswein und Knoblauch… für Seafood-Liebhaber ist das der Himmel auf Erden. In den Fjorden um Bergen und entlang der Küste Westnorwegens bietet das Meer Delikatessen der Spitzenklasse, die in renommierten Restaurants der ganzen Welt begehrt sind. Im Restaurant «Cornelius» werden sie gleich eigenhändig gefangen oder von einheimischen Tauchern am Kai angeliefert – und dann in Meerwasserbecken aufbewahrt, um sicherzustellen, dass sie so frisch wie möglich auf den Teller kommen. Aber eins nach dem anderen. Denn ins «Cornelius» spaziert man nicht einfach rein; das Restaurant liegt nämlich auf der kleinen Insel Holmen im Schärengarten vor Bergen. Wenn man dort reserviert, ist eine 25-minütige Bootsfahrt von Bryggen aus gleich inbegriffen; das macht das Essen zu einem echten maritimen Erlebnis. Prägende Figur des «Cornelius» ist Mitinhaber Roald Sætre, besser bekannt als «Skjellmannen» (der Muschelmann) oder «Oyster Dundee», weil er das, was in den Tellern landet, ein paar Stunden zuvor aus dem Wasser gezogen hat. Nach dem Motto «Fjord to table» degustiert man zu Beginn ein paar frische (rohe!) Muscheln an der «RAWbar» und geniesst dann drinnen das «meteorologische» Seafood-Menü (basierend auf dem Wetter des Tages und dem, was ins Netz ging), etwa Krokette von der Königskrabbe, asiatisch gewürzten Schellfisch oder Kabeljau mit Blumenkohl in Texturen, dazu Kartoffeln und eine wunderbar gehaltvolle Hollandaise. Zwischen den Gängen empfiehlt sich ein Spaziergang über die Insel, wenn es nicht bergen-typisch wie aus Eimern giessen würde. Doch plötzlich zeigt sich die Sonne, es reisst auf und alles glänzt in goldenem Licht, um zehn Uhr abends wohlgemerkt – norwegische Sommer sind eben anders.
Fjellskål
Eine der besten Adressen für fangfrische Meeresfrüchte; direkt am Hafen gelegen.
www.fjellskaal.no
Cornelius
Das wohl berühmteste Fischrestaurant des Landes ist nur mit dem Boot erreichbar.
www.corneliusrestaurant.no
Marg & Bein
Eher fleischlastige puristische Bistroküche, die auf norwegische Produkte setzt.
www.marg-bein.no
NOTIZEN VON UNTERWEGS
Viele von uns haben diese Vorstellungen, wenn es um Norwegen geht: eine schroff über der Einsamkeit des majestätischen Fjords thronende Klippe, ein erhabenes Stück Natur in der meditativen Abgeschiedenheit des Nordens. Wir alle kennen diese Bilder… Preikestolen …Trolltunga … aber mit der Realität haben sie kaum mehr etwas zu tun. Zumindest dann, wenn die Realität dieser Selfie-Hotspots so aussieht: Ein nicht enden wollender Strom von Menschen, die eine Schlange bilden, um für wenige Sekunden in der Poleposition für das beste Bild zu stehen. Wenn die Natur nur noch durch die Linse des Smartphones existiert und die Schönheit eines Orts nur noch nach den Kriterien der medialen Inszenierbarkeit bemessen wird.
Willkommen in der Wüste des (Insta-)Realen. Wir müssen uns damit abfinden: Social Media hat für viele von uns die Art und Weise, wie wir unsere Wahrnehmungen während des Reisens organisieren, grundlegend verändert. Wir sammeln digitale Trophäen für unseren Status und bewerten die Attraktivität eines Ziels nach seiner «Instagramability».
Nicht ganz ernst gemeint: In typischer Instagram-Pose auf dem Preikestolen.
Im schlimmsten Fall sind wir dann enttäuscht, wenn die durch die mediale Inszenierung hochgeschraubte Erwartung und die tatsächlich vorgefundene Wirklichkeit nicht mehr zusammenpassen. Andererseits brauchen wir diese Ideal-Bilder, denn sie wecken Sehnsüchte und Fernweh, die Lust nach neuer Erfahrung – eigentlich löbliche Beweggründe, um zu reisen. In Norwegen findet man diese wilde, einsame Natur tatsächlich … nur eben zumeist nicht am Preikestolen. Instagram mag daher gut sein, um die Neugier zu wecken – echte Reiseerfahrungen ersetzt es jedoch nicht. Die hat man meistens, wenn das Smartphone in der Tasche bleibt.
Unser Reiseredaktor Nicolas Bollinger interessiert sich stets für die kleinen feinen kulturellen Unterschiede, die einem beim Reisen auffallen.
Die Städte Trondheim, Bergen und Stavanger verfügen jeweils über eigene Flughäfen und sind teils direkt oder via Oslo zu erreichen. Um das Umland zu erkunden, führt kaum ein Weg an einem Mietauto vorbei.
Wer einen Teil der Reise mit den Hurtigruten zurücklegt, sollte unbedingt so lange an Bord bleiben, dass sich eine Kabine lohnt. In den Städten Bergen, Trondheim und Stavanger sind die Hotels der Kette «Thon» (www.thonhotels.com) immer eine gute Wahl. In Lofthus am Hardangerfjord punktet das Hotel Ullensvang mit seiner fantastischen Lage (www.hotelullensvang.no).