Manchmal ist weniger mehr. Etwa bei der Artischocke: Lediglich 20 Prozent davon sind essbar, der Rest davon ist Rüstabfall. Von den Blättern etwa wird nur der fleischige, untere Teil gegessen. Dann stösst man auf die zarten, violetten Herzblätter, doch das Beste kommt zum Schluss: der Boden der Artischocke, das Herz, definitiv am leckersten – definitiv am begehrtesten. Das war bereits im alten Rom und Ägypten so, wo man Artischocken als wahrhaft königliches Gemüse hoch schätzte. Bis ins 18. und 19. Jahrhundert kamen sie in Frankreich und Italien nur in adeligen Häusern auf den Tisch. Das ist heutzutage natürlich anders, denn besonders im Mittelmeerraum gilt das Gemüse als unverzichtbarer Bestandteil der südländischen Küche.
Bei uns begegnete man dem eigentümlichen Korbblütler lange mit einem gewissen Misstrauen, was wohl auch mit dem nicht unerheblichen Rüstaufwand zu tun hat. Dabei hat sie ein enorm vielschichtiges, nicht einfach zu beschreibendes Aromenprofil: ein wenig spargelähnlich, aber doch irgendwie pilzig, buttrig, nussig, zartbitter, süsslich. Apropos: Artischocken enthalten Cynarin, eine Phenolverbindung, welche einen einzigartigen Effekt an den Süsse-Rezeptoren der Geschmacksnerven hervorruft: Alles, was man danach zu sich nimmt, schmeckt dann einfach nur süss. Das mag faszinierend und auch witzig sein, nicht aber, wenn man dazu gerne ein Glas Wein geniessen möchte. Vielleicht sollte man doch gleich zu Cynar wechseln.