Warum sehen wir dich nie einen Apfel essen?» Die Frage meiner Kinder ist berechtigt. Ich weiss ja, dass die runden Früchte gesund sind. Einer pro Tag hält sogar den Arzt fern, sagt man. Verschiedene Inhaltsstoffe in Äpfeln scheinen, wie eine neuere Studie der Cornell Universität belegt, vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson zu schützen. Äpfel wirken gar, dank den darin enthaltenen Pektinen, ähnlich wie Cholesterinsenker. Doch damit nicht genug. Die Fruchtsäuren hemmen im Darm das Wachstum von Fäulnisbakterien, die Gerbsäure wirkt entzündungshemmend. Wissenschaftler der Universität Chicago fanden mittels IQ-Tests heraus, dass die Hirnleistung von Schülern in nur einem Monat um ein Drittel stieg, wenn sie anstatt Sandwiches Äpfel und Nüsse in der Pause assen. Granatäpfel kaufe ich ebenfalls selten, obwohl sie mindestens so gesund sind wie Äpfel. Die Anti-Aging-Frucht Granatapfel gehört zu den Früchten mit den meisten bioaktiven Substanzen. Ausserdem sind die Früchte reich an Kalium, Phosphor, Vitamin B1, B2, C, Kalzium, Magnesium und Eisen. Aus einer einzigen Frucht so viele Kerne: Das animierte bereits unsere Vorfahren dazu, den Granatapfel als Sinnbild der Fruchtbarkeit und als Symbol der Sinnlichkeit zu bezeichnen. An den Saft kommt man übrigens recht einfach. Am besten wallt man die Frucht mit etwas Druck auf einer harten Fläche so lange hin und her, bis im Innern die Kerne platzen. Danach einfach halbieren und wie Orangensaft mit einer Handpresse auspressen. Wer die Samen essen möchte, muss geduldig sein. Am besten arbeitet man mit Handschuhen, da der intensive Farbstoff von Schale und Frucht ja auch zum Färben von Wolle und Orientteppichen verwendet wird und eben auch hartnäckige Flecken auf Kleidern hinterlässt.
Aber: Die Handschuhe müsste man bereits daheim haben oder gleichzeitig mit den Granatäpfeln kaufen. Doch das ist zumindest bei mir nicht der einzige Hinderungsgrund, trotz der vielen gesundheitlichen Vorteile nur wenige Granat- und andere Äpfel zu essen. Früher war das anders. Wenn ich über den Hausaufgaben brütete, brachte mir meine Mutter jeweils ein Tellerchen mit mundgerecht geschnittenen Apfelstückchen, ein paar Nüssen und Rosinen und einem Gäbelchen. Während ich Matheaufgaben und anderes löste, wanderten die gesunden Stückchen fast automatisch in meinen Mund. Kauen hilft eh beim Denken und Apfelstücke schmecken nachweislich besser als Bleistifte. Und soooo praktisch: Meine Finger blieben sauber. Ernährungsexperten sind sich einig: Der Fruchtkonsum wäre weit höher, wenn wir etwa an geschäftlichen Meetings mundgerechte Stückchen davon essen könnten. Steht jedoch eine Fruchtschale auf dem Tisch, überlegen wir es uns doppelt oder dreifach. Sind die Früchte gewaschen? Wie essen, ohne sich die Finger schmutzig zu machen? Wo sind die Servietten und wohin mit dem Kerngehäuse? Es ist so viel einfacher, sich ein paar Guetzli in den Mund zu schieben. Ehrlich gesagt habe ich noch keine Lösung, um meinen eigenen Apfelkonsum zu steigern. Immerhin kann man mit einem hohen Gemüse- und Salatkonsum das fehlende Obst zumindest grösstenteils kompensieren. Und doch ... Gerade jetzt, beim Schreiben dieser Kolumne, wünsche ich mir meine Mutter herbei. Mit einem Tellerchen mit Apfelstücken würde mir das Denken auch heute viel leichter fallen. Diesen liebevollen Service würde ich heute ganz anders schätzen als damals, als er selbstverständlich war und Früchte im Vergleich zu Guetzli keine spannende Option darstellten.