Vielleicht ist es diese unvergleichliche Mischung, dieses kunstvoll verwebte Mosaik aus sanften Hügeln, wogenden Getreidefeldern, kargen Äckern, Olivenhainen, Weingärten, Zypressen und einsamen Bauernhöfen, das die Toscana nach wie vor zu einem Sehnsuchtsort macht. Neben den alten, mit Geschichte geradezu überfrachteten Städten wie Florenz, Siena, Pisa oder Lucca ist oft die Landschaft selbst die grösste Attraktion. Nicht umsonst gilt die gesamte Region als Traumziel für Genussreisende, denn die toskanische Küche nahm bereits zur Zeit von Katharina de' Medici eine herausragende Rolle in Europa ein. Seit frühester Zeit gilt die Toscana als eine Wiege der Künste, wovon natürlich die Kochkunst nicht auszunehmen ist. Das liegt auch am kulinarischen Mäzenatentum des toskanischen Adels, der besonders in der Entwicklung der Gegend zu einer der führenden Weinregionen eine gewichtige Rolle gespielt hat – und noch immer spielt. Neben der Familie Antinori ist hier vor allem der Name Frescobaldi zu nennen, deren Mitglieder bereits seit siebenhundert Jahren, genauer gesagt, seit dem frühen vierzehnten Jahrhundert, im Weinbau mitmischen. Im 15. und 16. Jahrhundert belieferte die Familie Frescobaldi den englischen Hof mit Wein sowie viele andere europäische Länder, darunter auch den Vatikan.
1855 bewies man auch visionäres Talent und führte noch unbekannte Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Pinot noir und Chardonnay ein und legte damit den Grundstein zu einer Entwicklung, welche die Toscana heute einer der spannendsten Anbaugebiete überhaupt macht. Dieses umfassend zu erkunden, ist natürlich eine wahre Herkulesaufgabe, daher müssen wir uns auf zu einem kurzen Streifzug beschränken: von Florenz aus in die Hügel des Chianti Rufina bis in die Heimat des Brunello di Montalcino. Solche Weinreisen lohnen sich heute mehr denn je: Denn auf vielen Weingütern kann man nicht nur degustieren, sondern auch sehr gut essen und in grandiosem Ambiente übernachten. Kommen Sie mit, wir zeigen es Ihnen!
Ein erhabenes Bauwerk: Nicht nur seine gewaltigen Dimensionen machen den Dom von Florenz zum unbestrittenen Zentrum der Stadt.
In der Toscana gibt es viel zu sehen und zu erleben. Für diejenigen, die nur kurz in der Gegend sind, haben wir ein paar Höhepunkte herausgepickt:
1 DAS «ECHTE» FLORENZ
In einem Touristen-Hotspot wie Florenz ist die Suche nach (kulinarischer) Authentizität keine leichte Aufgabe. Wer Pizza und Carbonara links liegen lässt und sich an echte Spezialitäten wie Lampredotto oder Trippa alla Fiorentina wagt, macht sicher nichts falsch.
2 ÜBERNACHTEN AUF DEM WEINGUT
Hier wird er wahr, der Traum vom toskanischen Landleben! Mittlerweile bieten viele Weingüter die Möglichkeit, in aufwendig restaurierten Gästehäusern und Zimmern eine oder mehrere äusserst komfortable Nächte zu verbringen. Heisser Tipp: Castelgiocondo in der Nähe von Montalcino.
3 DIE GEGEND UM MONTALCINO
Wer die toskanische Bilderbuchlandschaft sucht, findet sie garantiert zwischen Siena und Montalcino. Besonders die Heimat des Brunellos bietet zahlreiche attraktive Übernachtungsmöglichkeiten. Und natürlich fantastisches Essen und grossartigen Wein.
Dank eines kleinen Flughafens könnte man auch nach Florenz fliegen, doch die komfortabelste Verbindung ist immer noch mit dem Zug: Ab Bern in gut fünfeinhalb Stunden (1x Umsteigen in Milano). Wer dann aber die Weingüter besuchen möchte, kommt ohne Auto nicht weit. Entweder mieten oder an einer organisierten Tour teilnehmen.
Für die Erkundung von Florenz empfiehlt sich ein zentral gelegenes Hotel wie das Calzaiuoli (www.calzaiuolihotel.com); wer jedoch mit dem Auto zu den Weingütern fahren möchte, sollte lieber etwas ausserhalb residieren, etwa im Ville Sull'Arno (www.hotelvillesullarno.com). Unbestreitbarer Höhepunkt ist natürlich eine Übernachtung auf einem der Weingüter (dazu mehr auf den folgenden Seiten).
Diese Reise wurde in Teilen unterstützt und organisiert durch Marchesi Frescobaldi.
Eine Unmenge an Geschichte, Kunst und Kultur – doch Florenz hat auch in kulinarischer Hinsicht jede Menge zu bieten. Allerdings: Karnivoren sind klar im Vorteil!
Unweigerlich geht der Blick nach oben, gleitet über die prächtige, in Weiss, Rosa und Grün gehaltene Marmorfassade, droht sich darin zu verlieren und bleibt irgendwann bei dieser gewaltigen Kuppel hängen. Pure Überwältigung. Es sind diese kaum fassbaren Dimensionen, die den Dom von Florenz auch heute noch zu einem ehrfurchtgebietenden Monument machen. Wie muss das erst vor Jahrhunderten auf die Menschen gewirkt haben? Als die Florentiner 1296 mit dem Bau des Doms begannen, sollte er nicht nur die Kathedralen in Pisa, Lucca und Siena an Grösse und Pracht übertreffen, sondern die pompöseste Kirche der gesamten christlichen Welt werden. Im Italien des ausgehenden Mittelalters waren die Dome Ausdruck und Statussymbol für das neu gewonnene Selbstbewusstsein, die Macht und den Reichtum der Städte – und Florenz hatte von allem mehr als genug. Diese Unmenge an Geschichte, Kunst, Kultur und zivilisatorischer Schaffenskraft ist in diese Stadt eingeschrieben wie bei kaum einem zweiten Ort.
Die Spuren von Dante, Petrarca, Donatello, Michelangelo, Brunelleschi sind hier quasi überall, sodass man sich als Besucher vorsehen muss, nicht ins Taumeln zu geraten. Doch nicht nur kunstsinnige Naturen kommen hier auf ihre Kosten, sondern auch Genussmenschen. Hinein in den Bauch der Stadt, in den Mercato Centrale, wo der Rundgang zu einer nicht weniger sinnlichen Odyssee gerät, vorbei an Bergen von Steinpilzen, Trüffeln, toskanischem Käse, Oliven, Obst, Gemüse, Brot, frischem Fisch und Meeresfrüchten, ganzen Rücken vom Chianina-Rind; von der Decke baumeln Schinken aus Siena und Parma, Fenchel- und Wildschweinsalami – und es türmen sich die Innereien. Und weil diese in Florenz eine besonders wichtige Rolle spielen, endet jede Tour durch den Mercato irgendwann in der Schlange bei Nerbone, wo sie alle für Fabio Giollis berühmten Lampredotto anstehen. Lampredotto, das hat für jeden Florentiner einen geradezu magischen Klang, denn diese Spezialität gibt es wirklich nur hier: Was in der Schweiz gleich in den Schlachtabfall oder ins Hundefutter wandert, wird hier noch hochgeschätzt, der Labmagen, dunkler und zarter als die anderen drei Kuhmägen. Fabio taucht die Fleischgabel in einen undurchdringlich rötlich schimmernden Sud aus Tomaten, Sellerie und Zwiebeln und zieht einen unförmigen, beinahe mönströs wirkenden Brocken aus der dampfenden Brühe, hackt ihn umgehend in kleine Stücke und serviert den besten Beweis, dass Nose to Tail in Florenz zur authentischen Esskultur gehört und kein durch Hipsterlokale generierter Trend ist. Fleischig, mächtig, würzig – wer das nicht probiert, verpasst etwas! Jetzt ist der Appetit geweckt; hinaus aus der Markthalle, die Strasse rüber zu Mario, wo die rustikalen Hocker nicht gerade zum Verweilen einladen, aber man bei einem Glas Chianti und ein paar Crostini mit Geflügelleber so richtig in Stimmung kommt und sich dann noch einen Teller Ribollita gönnt, diese legendäre, dicke, nahrhafte Suppe aus altem Brot, Bohnen, Palmkohl und bestem Olivenöl.
Der Mercato Centrale ist ein wahres Schlaraffenland.
Falls dann noch Platz für einen Teller Pasta sein sollte, empfiehlt sich ein kurzer Spaziergang zur Piazza della Signoria, dem Zentrum der Macht, wo die Medici im angrenzenden Palazzo Vecchio residierten und ikonische Statuen wie der «Perseus» von Cellini in der Loggia di Lanzi thronen. An dieser ersten aller Adressen präsentiert sich nicht nur das Modehaus Gucci mit einer von Massimo Bottura konzipierten Osteria, sondern auch die Familie Frescobaldi mit ihrem Vorzeigerestaurant, wo es nicht nur ein tolles Carpaccio mit Pecorinocreme gibt, sondern auch frisch gemachte Paccheri mit einem Ragù bianco zum Niederknien, mit Kaninchen und Taggiasca-Oliven. Spätestens jetzt ist ein Verdauungsspaziergang angesagt, vorbei an den Touristenmassen über den Ponte Vecchio bis hinauf zum Piazzale Michelangelo, wo die allmählich sinkende Sonne die Fassaden in ein goldenes Licht taucht und ganz Florenz noch einmal in seiner unwirklichen Pracht erstrahlt. Ein paar Stunden später … es ruft der Aperitivo! Wieder über den Arno via Ponte Carraia in die Enoteca Bruni auf ein paar handgeschnittene Tranchen Prosciutto vom Cinta-Senese-Schwein, eine Delikatesse, die es locker mit jedem Jamón Ibérico aufnehmen kann; dazu ein Glas Pét Nat und die Fleischeslust erwacht endgültig. Denn das ist mehr als empfehlenswert, wenn man ins Loch hinuntersteigt, ins Buca Lapi, 1880 eröffnet und seines Zeichens das älteste Restaurant von Florenz – trotz seiner Bekanntheit alles andere als eine Touristenfalle, sondern eine unverfälschte, ultrasympathische Kellerhöhle, deren Wände bis oben mit nostalgischen Reiseplakaten vollgepflastert sind und den Lärmpegel dank eines oft ausgelassenen und genussfreudigen Publikums rasch in die Höhe schnellen lassen. Lachen, Rufen, Scheppern aus der offenen Küche, ein Tollhaus, in das man wegen der gewaltigen Bistecca abtaucht und das man wegen der phänomenalen Atmosphäre kaum mehr verlassen will. Chef Luciano, das Urgestein des Buca Lapi giesst uns seinen persönlich ausgewählten Hauswein aus der Glaskaraffe und gewährt uns freundlicherweise einen Blick auf das Allerheiligste, den Holzkohlegrill, auf dem in einem Inferno aus Flammen, Rauch und Fleisch der Hauptgang seiner Vollendung entgegenbrutzelt. Ja, so eine echte Bistecca fiorentina ist wirklich ein Erlebnis, ein mächtiger Brocken, aussen knusprig und rauchig, innen fleischig und blutig – herausfordernd und sinnlich, eben wie Florenz selber.
Das Buca Lapi ist eine tolle Adresse für Bistecca fiorentina.
TRATTORIA MARIO
Gleich bei der Markthalle gelegen. Rustikale kleine Trattoria mit authentisch toskanischer Bauernküche.
RISTORANTE FRESCOBALDI
Zeitgenössisch interpretierte Klassiker aus der Toscana, dazu die besten Weine aus dem Hause Frescobaldi.
BUCA LAPI
Ursympathisches Kellerlokal mit grandioser Stimmung und einer wirklich guten Bistecca.
Palazzo Vecchio, das Zentrum der Macht.
In den Wäldern und Hügeln nahe Florenz warten mit Castello Pomino und Castello Nipozzano zwei fantastische Geheimtipps.
Auf den ersten Blick traut man seinen Augen kaum. Was ist das? Ist das echt? Eine Kunstinstallation? Eine Wand aus vollreifen Trauben, arrangiert wie ein Mosaik, ein Gemälde, ein Altar. «So machen wir das eben für unseren Vinsanto», erklärt Francesca Pratesi. Wir befinden uns in den Wäldern und Bergen nordöstlich von Florenz, wo inmitten von Tannen, Mammut- und Kastanienbäumen das Castello Pomino liegt, versteckt wie ein verborgener Schatz. Bereits 1716 bestimmte Cosimo III. de‘ Medici dieses Gut als eines von vier Anbaugebieten für die Erzeugung von toskanischem Qualitätswein. Die besondere Lage – Weinberge bis auf eine Höhe von 700 Metern, kühle Nächte und manchmal sogar Schnee im Winter – prädestiniert Pomino geradezu für die Produktion grosser Weissweine. Dazu gehört der Vinsanto, für den die Trauben von September bis Februar in der Luft des offenen Dachstuhls trocknen, also rosinieren, um die Zuckerkonzentration zu erhöhen. Unter Francescas Leitung entstehen auf Castello Pomino ebenfalls der nach der Champagnermethode mit Flaschengärung vinifizierte Schaumwein Leonia brut, die Weissweine Pomino bianco (Chardonnay und Pinot blanc) und Benefizio riserva (ein reinsortiger im Barrique ausgebauter Chardonnay). Und für die Toscana sehr untypisch: ein reinsortiger Pinot noir.
Wie ein Kunstwerk: Traubentrocknung für den Vinsanto auf Castello Pomino.
Wir durchschreiten die prächtigen Räume des Castellos, gut zu wissen, dass es hier fünf einzigartige Zimmer gibt, in denen man nächtigen könnte; im imposanten Kaminzimmer mit langer Tafel dürfen wir uns an die Degustation machen. Der Leonia Brut 2017 überzeugt mit einer wunderschönen strohgelben Farbe, einer feinen Perlage; einem Duft mit herrlichen Zitrusnoten, Steinfrüchten und floralen Anklängen, aber auch Gebäck, Hefe, Röstaromen und Trockenfrüchten. Am Gaumen Würze, Frische und Cremigkeit. Der 21er Pomino bianco punktet mit jugendlicher Frische und Säure sowie lebendiger Frucht, ein perfekter Apérowein. Ganz anders der Benefizio riserva 2019: Tropische Frucht geht über in intensive Würze, Vanille, Zimt, Nüsse, am Gaumen ein voller Körper, präsentes, aber nicht aufdringliches Holz, von üppiger Cremigkeit – alles, was ein guter Chardonnay braucht! Wir verlassen Pomino in südwestlicher Richtung, nach nicht einmal einer Viertelstunde Fahrt sind wir im Gebiet Chianti Rufina (nicht zu verwechseln mit Chianti Classico), gelegen an den Hängen des Toskana-Romagna-Apennins. Hier ist es hügeliger und grüner… und vor allem kühler; die starken Temperaturschwankungen bringen tanninstarke Weine mit frischer Säure und nicht übertrieben ausgeprägter Frucht hervor – und zu guter Letzt auch einem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Schon von Weitem ragen die Türme einer mittelalterlichen Burg aus einem Meer von Reben, Castello Nipozzano, ein legendäres Gut, dessen Weine bereits in der Renaissance von Künstlern wie Donatello und Michelozzo Michelozzi geschätzt wurden. Als Festung zur Verteidigung von Florenz errichtet, ist das Castello Nipozzano seit dem Jahr 1000 im Besitz der Familie Frescobaldi.
Im Keller von Castello Nipozzano
Auf Castello Pomino werden hervorragende Schaumweine gekeltert.
Der Name leitet sich von «senza pozzo» («ohne Brunnen») ab, eine wasserarme Zone also, die hervorragend für die Kultivierung von Rebstöcken geeignet war. Eine einzigartige Besonderheit, die aus dieser Gegend hervorging, ist dem Weitblick eines Frescobaldi-Vorfahren zu verdanken, der im Jahre 1855 die Summe von 1000 Silber-Florin investierte, um in der Toscana bis dahin unbekannte Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot einzuführen. 100 Jahre später rechnet sich diese Entscheidung in Gestalt des Mormoreto, dem Vorzeigewein des Weinguts, ein Supertoskaner im besten Sinn, mit nur einem verschwindend geringen Anteil Sangiovese. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei Nipozzano wirklich grosses Sangiovese-Kino zu moderaten Preisen gibt: Der reinsortige Montesodi 2019 bietet alles, was man bei dieser Rebsorte erwartet, rotbeerig, frisch, balsamisch und würzig, voller Mineralität, frischer Säure und lebendiger Tannine. Oder der 19er Vecchie Viti von den ältesten Rebstöcken des Castellos: dunkel, pfeffrig, mineralisch, saftig und mit fast vibrierender Säure. Zeit für das Mittagessen, natürlich im gutseigenen Restaurant. Bei herrlich fluffigen Kartoffelgnocchi mit Pecorino und geröstetem Brot sowie Hühner-Ballottine gefüllt mit Pancetta erzählt Nipozzano-Winemaker Lorenzo Portaro, worum es ihm bei seiner Arbeit geht: «Ich will nicht von Terroir sprechen, das ist zu abstrakt. Unsere Weine sollen die Seele einer Landschaft ausdrücken». Zum dolce, Torta della Nonna mit Vanillesauce, entkorkt Lorenzo einen alten Bekannten: Pomino Vinsanto 2014, Röstaromen, Trockenfrüchte, Nüsse, süss, üppig, aber durch die delikate Säure in perfekter Balance – besser wird es heute nicht mehr.
Blick von Castello Nipozzano in die Hügel des Chianti Rufina.
CASTELLO POMINO
Versteckte Perle mit hervorragenden Weissweinen.
www.frescobaldi.com/de/weinguter/castello-pomino
CASTELLO NIPOZZANO
Geheimtipp für grossartigen Sangiovese; gutseigenes Restaurant.
Rund um Montalcino und speziell auf der Tenuta Castelgiocondo findet man eine toskanische Bilderbuchlandschaft – und natürlich grossartige Weine.
Grossartige Atmosphäre: Castelgiocondo bei Nacht.
Wir lassen die fruchtbaren Hügel des Chianti hinter uns und fahren südwärts. An Siena vorbei und immer weiter, die Landschaft ändert ihr Gesicht und wird eine andere: rauer, karger, das Grün weicht irdenen, goldbraunen Farben, ehe sich irgendwann der Hügel von Montalcino über das weite Land erhebt. In den 1970er - Jahren war die Stadt eine der ärmsten der Toscana, als noch kaum einer erkannte, dass hier das warme, trockene Küstenklima auf die felsigeren Böden des Chianti Classico trifft und so ideale Bedingungen für das bietet, was Montalcino letzten Endes zu Weltruhm verholfen hat: den Brunello. Die Traube für den berühmten Brunello di Montalcino ist letztlich nichts anderes als ein Klon des Sangiovese, doch es gelten strenge DOCG-Regeln: 100 Prozent Sangiovese, keinerlei Verschnittpartner, sonst ist es kein Brunello di Montalcino. Etwas ausserhalb der Stadt, eine gute Viertelstunde ist es mit dem Auto, liegt die Tenuta Castelgiocondo, eines der vier Weingüter, auf denen man 1800 erstmals begann, den Brunello di Montalcino zu erzeugen; benannt nach der um 1100 errichteten Festung, die auch heute noch über der Landschaft thront. Eine der ältesten Besitzungen der Familie Frescobaldi und auch eine der grössten; 210 Hektar Rebfläche und 700 Hektar Wald gehören zu Castelgiocondo, das heute nicht nur für seine Weine, sondern auch für seine einzigartige, von malerischer Abgeschiedenheit zeugende Atmosphäre bekannt ist. Der holprige steinerne Pfad, der das Eingangstor mit der Kellerei verbindet, zieht sich schier unendlich in die Länge, vorbei an nicht enden wollenden Reihen von Zypressen, dichtem Wald und natürlich einem Teppich von Weinstöcken.
«Wir achten besonders auf die Biodiversität», sagt Davide Bozzon, der verantwortliche Winemaker, «das kommt letztlich auch dem Wein zugute». Die beiden Crus des Weinguts sind der Ripe al Convento di Castelgiocondo Brunello di Montalcino Riserva, der aus sorgfältig von Hand ausgewählten Sangiovese-Trauben gewonnen wird, die in dem gleichnamigen Weinberg in 350–450 m Höhe angebaut werden, und der Lamaione, ein reiner Merlot-Wein aus Montalcino. Das Aushängeschild ist der Castelgiocondo Brunello di Montalcino, ein Wein von hervorragender Struktur, grosser Eleganz und intensiven, äusserst raffinierten Aromen. Davide nimmt uns mit in den riesigen Gewölbekeller, wo wir den 21er Brunello gleich direkt aus dem grossen Holzfass verkosten dürfen. Trotz des noch überpräsenten Holzes und gewaltiger Adstringenz schon sehr strukturiert und fruchtbetont, sodass sich bereits erahnen lässt, dass da Grosses heranreift. Raus aus dem Keller, hinauf auf die steinerne Terrasse mit Blick auf die unermesslich wirkenden Weingärten des Guts. Zum Aurea Gran Rosé 2019 von der Tenuta Ammiraglia, etwas weiter südlich in der Maremma gelegen, reicht Castelgiocondo-Küchenchef Ricardo Cappelli heiss und knusprig gebackene Frittelle mit Meersalz und Rosmarin, Crostini mit Geflügelleber, Trockenfleisch sowie mit Weintrester aromatisierten Pecorino.
Toskanische Käseauswahl im Alle Logge di Piazza
Das macht Lust auf mehr, weshalb wir sogleich den von einer gewaltigen Feuerstelle und knorrigem Gebälk dominierten Festsaal betreten und endlich Zeit finden, den 17er Brunello mit der Riserva 2016 zu vergleichen: Der 17er gibt sich kraftvoll und konzentriert, mit viel reifer schwarzer Frucht, einem langen, frischen Abgang und gut eingebundenen Gerbstoffen. Wesentlich komplexer, würziger und fast balsamicoartig der Auftritt der Riserva; die beerigen Noten gehen über in Tertiäraromen, Tabak, Leder, Kaffee und gipfeln in einen kaum enden wollenden Abgang mit samtigen Tanninen. Jetzt tischt Ricardo Cappelli erst richtig auf: Auf einen Salat aus Cannellinibohnen, gepickelten Zwiebeln und Vitello di Chianti folgt ein Kürbisrisotto mit Pancetta und Chips aus Cavolo nero (aus dem gutseigenen Gemüsegarten) und als Hauptgang ein butterzarter Schweine-Brasato al Brunello. Gut, dass wir nach dem Dessert, Caramel-Pannacotta mit Schokoladencrumble, unsere Zimmer beziehen dürfen, denn eine Siesta tut nun Not. Wer auf Castelgiocondo als Übernachtungsgast weilt, darf sich wirklich glücklich schätzen. Nicht nur wegen der äusserst komfortablen Zimmer, die in einem Gebäude des dazugehörigen Landguts untergebracht sind, sondern auch wegen dieser einzigartig idyllischen Atmosphäre, die wohl in jeder Einzelheit dem perfekten Toscana-Klischee entspricht: Wenn die Sonne langsam hinter den Rebbergen verschwindet und die länger werdenden Schatten der Olivenbäume sich langsam an die mit Rosmarin umwucherten Steinwände schmiegen, dann ist das von geradezu elegischer Schönheit. Aber genug der romantischen Schwärmerei, denn wenn der Hunger sich nun wieder meldet, sollte man unbedingt nach Montalcino fahren, um im Alle Logge di Piazza zu Abend zu essen. Am besten lässt man der Küche einfach freie Hand, was zu einer wahren Antipasti-Orgie gerät.
Sonnenuntergang auf Castelgiocondo.
Pinci mit Wildschwein im Alle Logge di Piazza
Frittierte frische Steinpilze und ein Salat aus rohen Steinpilzen, Parmesan und bestem Olivenöl? Unbedingt! Crostini, Frittelle, Prosciutto crudo, Melanzane alla parmigiana … so simpel, so gut! Und natürlich gibt es kein Vorbeikommen an hausgemachten Pinci mit Wildschwein-Ragù. Es gäbe da noch eine Auswahl an toskanischem Käse … nun … wir wissen alle, dass dazu kaum jemand Nein sagen könnte…
TENUTA CASTELGIOCONDO
Wunderschönes Brunello-Weingut mit einmaliger Atmosphäre. Hier übernachtet man äusserst stilvoll.
www.frescobaldi.com/de/weine/weinguter/tenuta-castelgiocondo
ALLE LOGGE DI PIAZZA
An bester Lage in Montalicino gelegenes Restaurant mit Weinbar. Idealerweise lässt man die Küche einfach machen.
Der Blick auf Castelgiocondo aus dem Weinberg.
Wer Florenz mit ein paar kulinarischen Souvenirs verlassen möchte, hält sich am besten an diese ausgesuchten Adressen:
MERCATO CENTRALE
Das Feinschmeckerparadies schlechthin! In der riesigen traditionellen Markthalle kaufen auch wirklich noch die Einheimischen ein, denn hier findet man eine gewaltige Auswahl an frischem Obst, Gemüse, Pilzen, Wein, Backwaren, Fisch und natürlich jede Menge Fleisch! Im Obergeschoss befi ndet sich ein moderner Food-Court mit zahlreichen Verpfl egungsmöglichkeiten.
www.mercatocentrale.it/firenze
PEGNA DAL 1860
Wie der Name schon sagt: seit 1860 eine Institution in Florenz und nach wie vor eine erstklassige Adresse für toskanische Spezialitäten. Vor allem die Auswahl an Schinken, Wurstwaren und Käse ist fantastisch.
EATALY
Egal, ob Olivenöl, Spirituosen, Wein, Pasta, Reis, Wurst, Schinken oder Käse – hier findet man fast alles, was in der italienischen Delikatessenlandschaft Rang und Namen hat. Praktischerweise gehören zu diesem modernen Feinkost-Konzept auch noch ein Café und ein Restaurant.
CASA DEL VINO
So muss eine Enoteca sein: Man wähnt sich in einer Apotheke; deckenhohe Regale mit den unterschiedlichsten Weinen, eine riesige Auswahl an erstklassigen Tropfen. Einige davon werden auch glasweise angeboten, dazu auch Panini, die man sich nach Wunsch belegen lassen kann.
Unser Reiseredaktor Nicolas Bollinger interessiert sich stets für die kleinen feinen kulturellen Unterschiede, die einem beim Reisen auff allen. Heute: innere Werte.
Es stimmt schon: Florenz lässt niemanden kalt, mich eingeschlossen. Irgendwie hadere ich immer noch mit dieser Stadt. Einerseits ist da diese Unermesslichkeit an Prunk, Opulenz, Schönheit, Kunst und menschlicher Schaff enskraft – andererseits ein nicht wegzudiskutierender Over-Tourism und der Eindruck, dass das Zentrum längst zu einer einzigen musealen Freilichtattraktion verkommen ist, in der kaum noch Einheimische leben. Unter diesen Umständen erweist sich die Suche nach Authentizität als nicht eben einfach, auch in kulinarischer Hinsicht. Dass Pizza, Lasagne und Spaghetti Carbonara damit nichts zu tun haben, dürfte noch einigermassen einleuchten, aber was ist mit der berühmten Bistecca fiorentina? Mit traditioneller Volksküche hat dieses Gericht nämlich kaum etwas zu tun, eher damit, dass englische Adelige, die den Winter in Florenz verbrachten, einfach nicht auf ihr geliebtes Beefsteak (daher auch der Name «Bistecca») verzichten konnten. Dennoch gilt die Bistecca als ur-toskanisch und wird speziell in Florenz dementsprechend angepriesen. Sieht natürlich auch toll aus auf Instagram. Wer wirklich den authentischen Geschmack von Florenz erleben will, muss zu einem Trippaio, wo es Lampredotto und Trippa alla fiorentina gibt. Keine Angst vor Innereien: Die sehen zwar sagenhaft unfotogen und damit wenig instagramtauglich aus, schmecken aber schlicht grossartig! Innere Werte eben ...
Bei Nerbone im Mercato centrale gibt es wirklich guten Lampredotto, ganz schlicht und stilecht mit einem Glas Chianti aus der Korbflasche. Schmeckt besser als manch eine Bistecca, probieren Sie es aus!