Es ist so einfach, Gäste zu bewirten. Man muss nur die tollen, gelingsicheren Rezepte, etwa diejenigen in diesem Heft, befolgen. Wer sie genau befolgt, wird rechtzeitig und stressfrei fertig, hat genügend Zeit, um sich vor Eintreffen der Gäste noch umzuziehen und wird garantiert ein Kompliment nach dem anderen erhalten.
Als stresserprobte Achtfach-Mami kann ich von solch gelungenen, unkomplizierten Einladungen nur träumen. Ein kleiner Auszug aus den sich rund um die Gästebewirtung stellenden Problemen: ich weiss zwar, dass man das Rezept und den Zeitplan genau befolgen soll, denke aber, es sei nicht nötig, die Zubereitungsschritte zu lesen. Und prompt sieht das Resultat anders aus oder schmeckt weniger gut als erwartet. Heute probiere ich zumindest alles einmal aus, bevor ich es Gästen vorsetze. Trotzdem kann immer noch etwas schiefgehen. Ich habe vergessen, eine wichtige Zutat einzukaufen. Ein Kind fällt kurz vor Eintreffen der Gäste mit dem Fahrrad um und muss verarztet werden, wird am Einladungstag krank ...Nie vergessen werden wir den einige Jahre zurückliegenden Supergau. Alter runder Holztisch, vollbeladen mit einem wunderbaren Brunch. Alles fertig, alles gelungen, uff. Zwei Minuten, bevor es an der Türe klingelt, bricht der Tischfuss unter der Last zusammen, wir beginnen, Parkettschäden zu vermeiden, retten, was zu retten ist, und essen anschliessend mit den zum Glück unkomplizierten Gästen auf dem Boden sitzend.
Meine beste Idee für Gäste: ein vielseitiges, vorbereitbares Buffet. Meine Kinder helfen gerne mit. Sie essen vegan, manche vegetarisch, jedenfalls zeitweise, manche gerne immer noch Fleisch, manche keine Pilze, manche lieber Salat als Dessert... so steuert wenigstens jedes etwas zur Einladung bei, das es selber gerne essen mag. Ich habe Zeit, um mich um die Gäste zu kümmern, denn alle bedienen sich selbst. Noch einfacher: Ich lade Menschen spontan zum Essen ein. Wir rücken zusammen, teilen, was wir haben, und irgendwie ist es immer lustig und alle werden satt.
Was ich hingegen hasse, sind Einladungen, bei denen sich alle spätestens bei der Gegeneinladung übertrumpfen und noch länger in der Küche stehen müssen. Oder Gastgeber, die betonen, dass alles wahnsinnig rasch und unkompliziert zubereitet war. Wobei ich mich, als geladener Gast, wirklich blöd fühle, weil ich genau weiss, wie viel etwa ein hausgemachter Kartoffelsalat oder Zopf zu tun geben. Man soll sich vor den Gästen ja nicht selber klein machen. Ich sage heute auch nicht mehr, dass ich gerade jetzt leider keine Zeit gehabt habe, um die Wohnung aufzuräumen. Wäre zwar eine gute Ausrede, aber tatsächlich sieht es bei mir ohne Gäste schlimmer aus.
Stellt sich die Gretchenfrage, was denn Gäste überhaupt von einem Besuch erwarten. Wahrscheinlich nicht, dass ich ihnen eine 18-Punkte-GaultMillau-Mahlzeit serviere oder als beste Hausfrau aller Zeiten dastehe. Sondern dass es gemütlich ist, wir uns wieder einmal unterhalten und zusammen lachen können.
Und wenn ich eingeladen werde? Was ich nicht selber kochen muss, kann ich sehr viel mehr geniessen. Egal, was es ist. Und eine zu ordentliche Wohnung verursacht bei mir höchstens Komplexe.