Mami, du wirst dich jetzt sicher aufregen. Aber hast du per Zufall irgendwelche Zutaten eingekauft, aus denen du ein Gericht kochen wolltest?, fragte Anna am Sonntagabend in einer der letzten Schulwochen. Sie ist 14 Jahre alt. Und hat jeweils am Montagmittag Hauswirtschaftsunterricht, notabene bei einer ehemaligen Studentin von mir. Grrrrr. Sonntagabend und Hauswirtschaft, da gibt es garantiert einen Zusammenhang. Tatsächlich. Anna hatte die Hausaufgabe, am Montag im Hauswirschaftsunterricht eine Fotostrecke abzuliefern. Sie sollte dokumentieren, wie sie völlig selbständig etwas kocht, angefangen beim Mise-en-Place bis zum fertig gekochten Gericht. Der Clou: Am Sonntag haben die Einkaufszentren geschlossen. Ich habe genau noch ein Gericht meines Menüplans nicht zubereitet. Ein Safransüppchen ... ich liebe dieses Kochbuch sehr, wenn ich keine Ideen habe, schlage ich jeweils das passende Datum auf und koche das Gericht nach. Anna ist begeistert und beginnt sogleich mit dem Kochen. Mittlerweile ist es 20 Uhr. Eigentlich sollte ich sie die Konsequenzen ihres nicht vorhandenen Planens ja selber tragen und bezüglich der lange bekannten Hausaufgabe ins Leere laufen lassen. Stattdessen sage ich: «Ich helfe dir aber nichts. Ich erkläre nichts und aufräumen kannst du auch selber.»
«Chill jetzt, Mami, ich schaffe das.»
Chillen auf Kommando ist nicht gerade einfach. Am besten schaue ich gar nicht mehr in die Küche. Anna hört Musik und singt lauthals mit. Stress hat sie anscheinend keinen. Ich denke daran, dass ihre drei grösseren Geschwister auch alle gut kochen können. Und die kleineren helfen mir immer gerne in der Küche. Ab etwa jährig war jedes bei mir und hat mitgeholfen. Gewerkelt, geschnitten, gerührt und geknetet. Ich stand möglichst geduldig daneben, habe vorgezeigt, zugeschaut, erklärt und geputzt. Was ich ohne Kinder in einer halben Stunde hätte zubereiten können, benötigte mit Kindern doppelt so viel Zeit. Lohnt sich das? Aber ja doch. Zumindest zeigen Studien, dass Kinder, die beim Kochen mithelfen dürfen, bessere Esser werden, die Lebensmittel korrekt benennen können, einen anderen Bezug zur Nahrung bekommen und feinmotorisch gefördert werden.
Ich habe ihnen immer scharfe Messer gegeben, stand aber daneben und habe ihnen vorgezeigt, wie man richtig schneidet.
Keins hat sich damit je geschnitten (mit dem Taschenmesser im Wald hingegen schon ...). Keins hatte je eine Brandwunde vom Kochherd. Ich habe ihnen früh gezeigt, was ein heisser Herd ist. Aber es kostete (und kostet noch) viele Nerven. Vor allem beim Putzen, denn viel ging daneben und manches sah viel hausgemachter aus als wenn ich es selbst zubereitet hätte.
Anna ruft fröhlich aus der Küche: «Mami komm, die Suppe ist angerichtet.» Wow. Sieht toll aus. Schmeckt super. Nichts zu kritisieren. «Siehst du, du kannst mir vertrauen. Ich kann das!», sagt Anna. Ja, sie kann das tatsächlich. Die unzähligen Stunden, die ich mit ihr in der Küche verbracht habe, scheinen sich einmal mehr gelohnt zu haben. Eine Allesesserin ist sie auch geworden. Ich sage ihr das voller Stolz. Ihre Antwort ist leicht ernüchternd: «Die Rezepte von Frau Wildeisen sind eben gut geschrieben. Hilfst du mir jetzt bitte beim Aufräumen der Küche?» Nein, also das nicht. Ich chille jetzt. Schliesslich wirkt Safran zum Glück nachweislich stimmungsaufhellend.
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