Zum Glück lebe ich in der Westschweiz. Ich mag die französische Sprache, und die regionalen Spezialitäten schmecken ausgezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit, hier auf einer Speisekarte Sauerkraut zu finden, ist übrigens gross. Etwa anlässlich des Erntedankfestes, la Bénichon. Das üppige und schmackhafte Menü enthält Kohl oder Sauerkraut. Tatsächlich wird nirgendwo in der Schweiz mehr Sauerkraut gegessen als in der Suisse romande. In Bern ist eine Berner Platte absolut undenkbar ohne das Sauerkraut. Den Ostschweizern hingegen schmeckt die saure Spezialität weniger gut.
Doch aufgepasst: Es waren nicht die Schweizer – und auch nicht die Deutschen – welche das Sauerkraut erfanden, sondern die Chinesen. Die Arbeiter, welche ihre grosse Mauer bauten, bekamen nämlich ausser Reis nichts zu essen. Sie fingen aus Not damit an, diesen mit sauer eingemachtem Kohl zu würzen. Als Dschingis Khan sie überfiel, nahm er neben einer grossen Diebesbeute auch das Rezept für den Kohl mit. Dieses gelangte durch die Mongolen schliesslich nach Europa und wurde mit grossem Interesse aufgenommen. Vollends begeistern konnte das Kraut, als die damit ausgerüsteten Seefahrer während ihren monatelangen Reisen plötzlich nicht mehr an Skorbut starben, sondern – oh Wunder – dank Sauerkraut und seinem Vitamin-C-Gehalt wohlbehalten zurückkamen. Der Zusammenhang war schnell erkannt, und fortan wurden keine Seereisen mehr ohne das Wunderkraut unternommen.
In Europa gaben die Bäuerinnen und Hausfrauen während Jahrhunderten das Wissen um die Sauerkrautherstellung an die nächste Generation weiter. Sie konnten damit auch in Zeiten ohne Kühlschränke, Gemüseimporte und Tiefkühlkost ihren Vitaminbedarf decken. Heute entspricht der Sauerkrautkonsum einem neuen Trend. Es macht Spass, es selber herzustellen und in die Fussstapfen der Gross- und Urgrossmütter zu treten. Ausserdem sind fermentierte Lebensmittel sehr gesund. Neben Joghurt und anderen Milchprodukten zählen auch Bier, Wein, Brot, Sauerkraut, Kimchi, Tempeh und Oliven zu den fermentierten Lebensmitteln. Natürlich kann man, wie in den Trend-Food-Rezepten ab Seite 32 beschrieben, viele andere Lebensmittel fermentieren.
Der gesundheitliche Nutzen der verschiedenen so hergestellten Lebensmittel ist ähnlich. Je mehr fermentierte Lebensmittel wir essen, umso besser für die Darmflora. So verarbeitete Lebensmittel sollen gemäss Studien mithilfe der enthaltenen Milchsäure produzierenden Bakterien den Darm günstig beeinflussen und sogar Störungen wie Verstopfung, Durchfall und entzündliche Darmerkrankungen reduzieren oder vorbeugen. Übrigens gilt: Je frischer diese sind, umso mehr Milchsäurebakterien (oder andere Mikroorganismen) enthalten sie. Die beim Fermentierungsprozess gebildete Milchsäure erhöht die Aufnahme verschiedener Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen und Phosphor im Darm, regt die Magensaftproduktion und die Magen-Darm-Peristaltik an. Saures unterstützt aber auch die Leber. Weil die Milchsäurebakterien die natürliche Darmflora unterstützen, helfen sie dem Körper, Krankheitserreger abzuwenden. Ein weiterer Grund, gerade im Hinblick auf die kältere Jahreszeit, selber zu fermentieren und die so hergestellten Köstlichkeiten auch zu geniessen. Ich versuche es mal mit Kimchi. Falls ich davon wider Erwarten doch nicht begeistert sein werde, tröstet mich der Gedanke, dass auch Schokolade und Kaffee zu den fermentierten Lebensmitteln gehören.
Salz oder Salzlake
Damit die Milchsäuregärung in Gang kommt, werden Gemüse oder Früchte mit Salz und manchmal auch etwas Zucker so lange kräftig gemischt, bis sich Flüssigkeit bildet. Nach einer anderen Methode wird Salz (20–30 g pro Liter) mit Wasser verrührt. Diese Salzlake kommt dann über das Gemüse in den Gläsern.
Das Einfüllen
Beim Fermentieren beginnt die Flüssigkeit zu gären und es bilden sich Bläschen. Damit nichts überläuft, immer mindestens 3–4 cm bis zum oberen Rand der Gläser frei lassen. Die Zutaten im Glas werden am besten mit einem kleinen Teller oder ähnlichem gedeckt. Damit sich dieser durch die aufsteigenden Milchsäurebakterien nicht hebt und die Zutaten immer mit Flüssigkeit bedeckt sind, den Teller zum Beispiel mit einem Stein oder einem mit Wasser gefüllten Glas beschweren. Luftdicht verschliessen hingegen darf man die Gläser während des Fermentierens nicht, denn es entwickeln sich bei der Gärung Gase. Falls einmal zu wenig Flüssigkeit im Glas ist, eine Salzlake (siehe oben) anrühren und über die Zutaten giessen.
Der Fermentierungsprozess
Zum Fermentieren ist eine Raumtemperatur von etwa 20 Grad optimal. Ist es wärmer, geht das Fermentieren schneller, ist es kühler, stoppt der Prozess. Nach wenigen Tagen beginnt der Fermentierungsprozess. Ab dann kann man das Gemüse immer wieder probieren. Sobald es angenehm säuerlich schmeckt, ist es genussbereit. In der Regel reichen 5–7 Tage, manchen schmeckt das Gemüse aber besser, wenn es bis zu 3 Wochen gärt. Zum Aufbewahren beziehungsweise um den Fermentierungsprozess zu stoppen, anschliessend unbedingt in den Kühlschrank stellen. Auf diese Weise ist das Gemüse noch etwa 1 Monat haltbar.